Künstliche Sauerstoffträger-Gibt es neues?

Ferenc K & Steinbicker A. Artificial oxygen carriers- past, present and the future-a review of the most innovative and clinically relevant concepts. J Pharmacol Exp Ther. 2019 Mar 5. pii: jpet.118.254664. doi: 10.1124/jpet.118.254664

Die künstlichen Sauerstoffträger werden seit Jahrzehnten vor den Klinikern hergetragen, mit aufsehenserregenden potenziellem Nutzen propagiert, dennoch hat es noch nie ein Präparat zur Zulassung in USA oder der EMA geschafft.

Der Artikel der beiden Autorinnen hat den üblichen Aufbau von Berichten zu diesem Thema und behandelt folgende Fragen:

Was sollen künstliche Blutprodukte können? In welchen Schritten wurden welche Arten von Blutersatzstoffen bisher entwickelt? Wie ist der aktuelle Stand bei der Erforschung?

Es gibt immer noch eine rege Erforschung der Sauerstoffträger, allerdings nicht mehr mit den Ideen von gestern. Die bisherigen Lernschritte sind wechselnd berücksichtigt. Glutaraledhyd zur Vernetzung ist toxisch; Hämoglobin ungebunden ist ein NO-Fänger und damit ein Vasokonstriktor; der Hämoglobingehalt der Lösung und die Sauerstoffbindungskapazität muss im richtigen Verhältnis zur onkotischen und kolloidosmotischen Aktivität der Lösung stehen; die Viskosität der Lösung ist nicht unerheblich, da der Vasotonus vermutlich auch durch den Shearstress reguliert wird; ...

Leider sind die meisten Informationen in sehr detaillierten Tabellen, die es aber nur in den Artikelanhang geschafft haben.

Hämoglobin-basierten Sauerstoffträgern:

  • Hemopure- Rinder-Hb, Erforschungsgrad klinische Phase III, nicht zugelassen in USA und EU, aber in Südafrika und Russland, weitere Beforschung abgebrochen, trotzdem manchmal für Zeugen Jehovahs eingesetzt;
  • Hemospan und MPOX4- humanes Hb, Phase IIb , entwickelt für den EInsatz in Sichelzellkrisen, mit einem Hämoglobingehalt ([Hb]) von 4g/dl zu gerne konzentriert
  • Sanguinate- pegyliertes Rinder Hb, vereinzelte Fallberichte in USA über den erfolgreichen Einsatz bei Zeugen Jehovas (z.B. Pubmed), in Phase 1-2 bei SAB und Trauma (Israel) oder im Tierversuch
  • Hemolink- vernetztes humanes Hb, Erforschung für den Blutersatz in der Herzchirurgie, in USA gestoppt seit 2005
  • Polyheme- Rinder-Hb, Erforschung für Traumaversorgung in USA vermutlich gestoppt seit 2009, mit einem [Hb] von 10g/dl im frühen Blutungsschock erfolgreich, dann schlechter als Erythrozytenkonzentrate 
  • konjugiertes und pyridoxiliertes Hb- Erforschung für den septischen Schock in Deutschland, USA, UK, EU etc., in Phase III seit 2012, keine weitere Erforschung
  • Hemotech- gereinigtes Rinder-Hb, Phase 1 in Kongo für den Einsatz bei Kindern mit Sichelzellanämie, Ergebnisse 2014
  • Hemo2life- aus Würmern gewonnenes Hämoglobin mit einer 38 fach-erhöhten Suaerstofftransportkapazität , beendete Phase 1 für die Konservierung von Spendeorganen
  • OxyVitaHbCO- besser verträgliches Amid-verlinktes Rinderhämoglobin in präklinischen Studien zum Einsatz bei Trauma
  • HbVesicles- biovertäglich in Liposomen eingekapseltes Humanes Hb in verschiedenen präklinischen Studie
  • ErythroMer- Polymer- umhülltes humanes Hb mit verhinderter NO-Bindung, im Tierversuch
  • HemoAct- Albumin-humanes Hämoglobin im Verbund , Tierversuchsstadium
  • weitere in frühen Forschungsstadien siehe Anhangstabelle des Artikels

Perfluorkarbone 

Bei den PFCs hat sich wenig getan, seit die Erforschung des erfolgversprechensten und am weitesten erforschten PFC-Gemisch (Perfluoroctylbromid-Perflubron-Oxygent) nach 2002 gestoppt wurde. Einsatzziel war die Einsparung von Fremdblutkonserven bei Eingriffen mit hohem Blutverlust. Der Grund waren weitere Forderungen der FDA hinsichtlich des Einsatzes und der Effektivität, da in der letzten Phase III-Studie ein Trend zu höherer Sterblichkeit (n.s.) und mehr Serious Adverse Events in der Behandlungsgruppe registriert wurden.

  • Oxygent- zur Hämodilution und Einsparung von Bluttransfusionen. Trotz obiger Zweifel und Forschungsauflagen, die vom damaligen Unternehmen aus Kostengründen nie weitergeführt wurden, wird Oxygent in China seit 2017 wieder produziert und erforscht/eingesetzt. In USA wird das Gemisch z.B. von Synquest Laboratories hergestellt und zu einigen Versuchen geliefert- entweder zum intratrachealen Einsatz bei ARDS oder zur Organkonservierung in präklinischen Studien oder Tierversuchen. 
  • Perftoran- zur Hämodilution und Einsparung von Bluttransfusionen. Ein altes schlecht erforschtes PFC mit niedriger Sauerstoffbindungskapazität und vermutlich schlechter Bioverträglichkeit ist zugelassen in Russland, Mexiko und der Ukraine, soll jetzt auch durch die Firma Fluoro2Therapeutics als VIDAPHOR in USA und Europa eingeführt werden.
  • Oxycyte- Für die Vermeidung/Reduktion von zerebralen Ischämien bei Schädel-Hirn-Traumen. Eine Erforschung, bis dahin in Phase 1-2, wurde 2014 vom Sponsor wegen mangelnder Rekrutierung gestoppt und seither eingestellt.
  • Nanokapseln mit Pefluordecalin und Albumin- im Tierversuch zur Reduktion von myokardialen Ischämien.

Stammzellen als Sauerstoffträger:

Sauerstoffträger, die mithilfe von Stammzellen gewonnen wurden, haben den Vorteil, dass sie patientenspezifisch gewonnen werden können und immunologisch/pharmakologisch unbedenklich sind (wenn sie kein fetales Hb mehr enthalten). Die Gewinnung und Vermehrung sind bereits geglückt, aber nicht in dem Ausmaß, der einen klinischen Einsatz ermöglichte. Zwischenzeitlich sind verschiedene Hämoglobin-basierte Sauerstoffträger und PFC-Lösungen zur verbesserten Stammzelldifferenzierung zu anderen Gewebearten hilfreich gewesen.

 

Insgesamt ein Artikel, der viel Recherche erfordert und am Schluss zusammenfassen muss, dass wir auch weiterhin auf einen Blutersatz werden warten müssen, der klinisch verträglich und effektiv eingesetzt werden kann. Gerade die Stammzellentwicklung ist vielversprechend und sollte weiter beobachtet werden. Trotz aller Frustration über eine immer noch nicht verfügbaren Blutersatz: Wir verdanken der Erforschung der künstlichen Sauerstoffträger ganz wesentliche Einblicke und die Physiologie und Funktion des wunderbaren Organs Blut. 

Pubmed

Für Sie gelesen und ergänzt von Th. Frietsch

 

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