Liberale Transfusionstrigger auf der Intensivstation schaden den Patienten und der Einrichtung!

Sadana D, et al. Adherence to blood product transfusion guidelines—An observational study of the current transfusion practice in a medical intensive care unit. Transfus Med. 2021 Aug;31(4):227-235. doi: 10.1111/tme.12771.

Eine kanadische retrospektive Studie an einem Zentrum mit 64 internistischen Intensivbetten hat nun knapp 1000 Patienten ausgewertet, die im Jahr 2015 mindestens ein Erythrozytenkonzentrat (EK) benötigten.

Insgesamt wurden 3140 Einheiten bei einem mittleren Hämoglobinspiegel (Hb) von 6.75 ± 0.86 g/dl verabreicht. Die Patienten waren im Mittel ca. 60 Jahre alt und hatten einen APACHE II Score von 80+/-30. Es trat kein TRALI auf, aber zwei Fälle von TACO und 37 febrile Transfusionsreaktionen (0,12%).

Bei ca. einem Drittel war aber der Hb >7g/dl und bei 12,3% auch ohne klinische Anzeichen einer Hypoxie (Tachykardie, Hypotension, vorgenannte KHK oder Vasopressorbedarf) zum Zeitpunkt der Verabreichung der Transfusion. Das erhöhte die Mortalität (p=0.04) und die Liegedauer um 5 Tage (p=0.01) im Vergleich zu Patienten, die unter einem Hb von 7 g/dl oder/und symptomatischer Ischämie transfundiert wurden.

Diese nicht indizierten Transfusionen waren mit einer erhöhten Mortalität bei Patienten mit akuten Blutungen (odds ratio [OR] 2.08, 95% confidence interval [CI] 1.11–3.88; p=0.02) bzw. einem verlängerten Krankenhausaufenthalt bei Patienten mit chronischem Blutverlust (8.26, 95% CI 4.09–12.43; p<0.01) assoziiert.

Der Einrichtung ging eine Ersparnis von 300 000 US$ verloren.

Das unterstreicht, dass die Leitlinienadhärenz wichtig und bedeutsam, aber auch in den angloamerikanischen Ländern nicht so hundertprozentig ist wie bei uns. Wir hatten einen ähnlichen Bericht über eine deutsche universitäre Intensivstation bereits 2017 veröffentlicht - mit nahezu gleichem Ergebnis (Nguyen XD et al. J Intensive & Crit Care Vol.3 No.4:41). Die Hilfestellungen, wie die Erinnerungen an die Richtlinien im individuellen Fall bei Anforderung einer Blutkonserve, die heutzutage elektronisch möglich und effektiv ist, werden aber in Deutschland noch zu selten eingesetzt.

Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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