Liberale Transfusionstrigger für die alten und gebrechlichen Patienten

Pelavski AD et al. Audit of transfusion among the oldest old: treading the fine line between undertransfusion and optimum trigger.

Brauchen Ältere > 85 J einen höheren Transfusionstrigger? Es gibt Hinweise aus entsprechenden Analysen
Gregersen M et al. (TRIFE). Acta Orthop 2015;86:363-72.),dass dem aufgrund der eingeschränkten Kompensationsfähigkeit und Reaktion auf den perioperativen Stress so ist. Da die gängigen Empfehlungen eines restriktiven Transfusionstriggers dieses Kollektiv eventuell nicht berücksichtigen und damit eine Untertransfusion hervorrufen, hatten spanische Kollegen aus Barcelona in ihrer retrospektiven Datenbank die postoperativen Komplikationen, Krankenhausverweildauer und Versterben nach einem und 6 Monaten von Patienten über 85 Jahren untersucht.

Innerhalb von 5 Jahren fanden sich lediglich 163 Patienten, von denen 148 ausgewertet werden konnten. Sie wurden in 2 Gruppen eingeteilt, je nach Grad der erlittenen Anämie (A: Hb < 9 g/dl ohne Transfusion (n= 37) oder B: Hb >9g/dl mit oder ohne Transfusion(n= 51)). Anämische Patienten, die vor dem Eingriff wegen einer Anämie Hb<9g/dl auftransfundiert worden waren, kamen in Gruppe B. Demnach wurde eine präoperativ blutarme Gruppe mit einer nicht anämischen Gruppe verglichen ( A vs. B- Hb 10,5 vs 13,1 g/dl, p<0,01), postoperativ persistierte der Unterschied (10 vs 11g/dl, p< 0,01). Alle Patienten bekamen unbeachtet ihrer Gruppenzugehörigkeit perioperativ ungefähr die gleiche Anzahl an Erythrozytenkonzentraten (EK). Eine präoperative Anämie bestand in 62% aller Patienten und bei 5,4% aller Patienten wurden Hämoglobinkonzentrationen unter 9g/dl gemessen. Der Anteil der Hochrisiko- und komplexen Eingriffen war in Gruppe A deutlich häufiger (97 vs 84%, p=0,03).

Die Komplikationen, die eine theoretische Beziehung zur Anämie haben, waren in Gruppe A deutlich häufiger (65% vs. 29%, p<0,01). Beinahe die Hälfte (46% vs. 18%, p<0,01) der Gruppe A musste doppelt so lange (14 vs. 7 Tage, p<0,01) im Krankenhaus verweilen als in Gruppe B. Die Anämiegruppe A hatte demnach ein um das 2,6 fache erhöhtes Risiko eine längeren Krankenhausaufenthalts ((1.1-6.3, p=0,03), einer erhöhten Morbidität (OR 4.2 (1.9-9.5), p<0,01)) und ein erhöhtes Risiko einer 30-Tage- (OR 6.6 (1.2-36.3), p=0,03) wie 6 Monate-Mortalität (OR 3.6 (1.3-9.8), p=0,01). Die Autoren schließen daraus, dass diese Patienten von einer präoperativen "Auftransfusion" profitieren könnte, sonst aber wegen ihrer eingeschränkten Kompensationsfähigkeit extrem gefährdet ist.

Dem würde ich mich nicht anschließen. Die Anämie gehört präoperativ beseitigt, aber nicht mit Transfusionen. Weitere Unsicherheiten der retrospektiven Datenanalyse ist die kleine Patientenzahl, die nicht näher erläuterte Diagnose von anämiebezogenen Sauerstoffmangelzuständen, der ungeklärte Anteil der Patienten, die präoperativ transfundiert wurden, der unterschiedliche Komlexitätsgrad und Risiko der Eingriffe um nur die wichtigsten zu nennen. Aber damit ist die Aufforderung klar: Führen wir doch eine Studie durch, die prospektiv die präoperative Anämietherapie mit Eisen- und Epo-Präparaten und andererseits mit Transfusionen korrigiert. Jetzt haben wir das Patientenkollektiv identifiziert, dass mit einer hohen Komplikations- und Mortalitätsrate die Studie machbar erscheinen lässt.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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