Mehr zur Covid-Therapie mit Rekonvaleszentenplasma

Effektive Therapie, nur Hoffnung für die schwere Verlaufsform oder unter Umständen schädlich?

Die hoffnungsbesetzte Therapie mit dem Plasma von Covid-19 Patienten, die die Infektion gut überstanden, ist bislang in der Literatur auffällig oft beschrieben und in früheren Virusepidemien immer wieder benutzt worden. Trotzdem bleiben Fragen offen und die bisherigen Publikationen berichten in Summe über Erfahrungen bei weniger als 25 Patienten. Die randomisierte kontrollierte Studie zur Wirksamkeit im Vergleich zu einer Vergleichsgruppe ist zwar in New York bereits im Gange (siehe Jama Network), aber noch gibt es keine Ergebnisse.

Die Therapie mit RKP ist eine besondere Plasmatransfusion und auch nicht ohne Nebenwirkungen und Risiken. Die Spender sind meist seronegativ für Hepatitis B und C, HIV, Lues und seropositiv für Covid-19 (Titer Range, 1:160-1:1560). Die Apheresespende erfolgt frühestens 14 Tage nach Symptombeginn oder negativem Rachenabstrich (ca. 5.Krankheitstag), Plasmakonserven 200-270ml werden teilweise ohne weitere Behandlung tiefgefroren und oftmals am Folgetag verabreicht. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Herstellungsaktivitäten an RKP (aufgeführt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA in einer nach Bundesland sortierten Liste der RKP-Zentren in Deutschland). Mehrere Pharmazeutische Unternehmen und Plasmazentren haben die Herstellungserlaubnis für die lyophilisierte Form als Immunglobulinkonzentrat beantragt.

Zu den normalen unerwünschten Effekten der Transfusion wie der Transfusionsreaktion mit Fieber, Schüttelfrost, Exanthem, Anaphylaxie, TRALI, Hämolyse und TACO (Volumenüberladung) kommen spezielle Effekte wie die Hyperimmunitätsreaktion (eine Aggravierung des bereits extrem gesteigerten Zytokinspiegels zum regelrechten Zytokinsturm und überwältigendem septischen Schock). Ebenso sind bei Behandlungen mit humanem Immunglobulinen Thrombosekomplikationen am gleichen Tag bei bis zu 15% aller Therapierten beobachtet worden (Menis M et al. Am J Hematol. 2013;88:1035–40). Bei regionalen Unterschieden zwischen den Virusformen könnten sich unterschiedliche Antikörpervarianten als unwirksam erweisen (Cunnigham A.C.et al. Treatment of COVID-19: old tricks for new challenges. Crit Care. 2020;24:91). Interaktionen mit der antiviralen oder Steroid-Begleitmedikation sind komplett unbekannt und nicht erforscht. Eine sehr lesenswerte Ansicht und Erklärung besonders der potenziell schädlichen Verstärkung der Antikörpertherapie (ADE-Antibody dependent enhancement) hat Sunny Dzik aktuell in Transfusion Medicine Reviews publiziert. Er erörtert dort auch, warum eventuell Patienten der Blutgruppe 0 geringere Infektion- und Mortalitätsraten haben könnten (in Bezug auf die Publikation von Zhao et al).

Aktuelle Übersichten schildern die wichtigsten Kenntnisse zum RKP für Anwender:

 

Wir haben außerdem eine Auswahl an Original-Publikationen zum Thema bereitgestellt und charakterisiert

Steckbrief: n=2, Fallbericht, Einsatz im ARDS bei 67J und 71J Patienten, Horowitz <100

Therapie: 2 Dosen im Abstand von 12h, Infusionsdauer 250ml/h, Verabreicht vor dem 10.Krankheitstag, RKP am Tag zuvor gespendet, leider ohne neutralisierende AK Titerbestimmung

Effekt: Beide erfolgreich extubiert, Antikörpertiter erfolgreich angestiegen, negativer Covid-19 Nachweis nach wenigen Tagen, keine unerwünschten Reaktionen auf die Plasmatransfusion

 

Steckbrief: n=10, Alter von 34-78J, retrospektive Kohorte mit gematcher Kontrollgruppe

Therapie: 1x250ml, Zeitpunkt im Mittel: 16.Krankheitstag (11-19), neutralisierender AK-Titer >1:640

Effekt: Klinische Verbesserung innerhalb von 3 Tagen, CT und Infektparameter verbessert, alle entweder entlassen oder kurz davor versus 3 letale Verläufe in der Kontrollgruppe, bei allen RKP Patienten Anstieg der neutralisierenden AK-Titer auf oder über 1:640, negativer Covid-19 Nachweis nach 7 Tagen, keine schweren Nebenwirkungen

 

Steckbrief: Fallserie mit n=6 Covid-19 Infizierten und später RKP-Therapie. Patientencharakteristik ingesamt extrem heterogen von leicht bis schwerer erkrankt, alle ohne beatmungspflichtiges ARDS: 69J Pat. am 36.Tag nach Symptombeginn, 3x 200ml; 75J Pat. 33.Tag, 2x 200ml; 56J Pat. mit Horowitz-Index 180 am 33.Tag, 3x 200ml; 63J Pat. 1x 200ml RKP am 38.Tag; 28J Pat. 1x 200ml am 8.Tag; 57J. Pat. 1x 200ml am 21.Tag

Therapie: Spender >3 Tage fieberfrei, 21 Tage nach Symptombeginn, AB0-kompatibles Plasma 2 bis 3x 200ml über 30min alle 3 Tage

Effekt: CT und Infektparameter verbessert bei 5 von 6 Pat., keine wesentlichen Nebenwirkungen. Entlassung oder klinisch deutliche Besserung, sofortiger Anstieg der anti-SARS-CoV-2 Antikörpertiter bei 2 Patienten, nur bei einem Pat nicht

 

Steckbrief: Erfahrung von der SARS Infektion 2003-4, retrospektive Kohorte, n=80, keine Kontrollgruppe, Vergleich von frühem und späte Beginn, Dosis 200-400ml, AK-Titer des RKP 1:640 bis 1:2560

Therapie: Dosis im Mittel 200-225ml (Rang 160 bis 630ml), am 11. versus 16.Tag verabreicht

Effekt: Mortalität 12.5% vs. 17% zu sonstigen 1775 Patienten in Hongkong, früher Beginn vor dem 14.Tag erfolgreicher: Krankenhausaufenthalt unter 22 Tage 58.3% vs 15.6% (p<0.001), Mortalität 6.3% vs. 21.9% (p=0.08)

 

Steckbrief: Fallserie mit n=5 Covid-19 Infizierten und später RKP-Therapie. Die 5 Patienten waren zwischen 36 und 73 Jahre alt. Die durchschnittliche Schwere der Lungenschädigung war bei drei Patienten leicht (Horowitz-Index von 200-300) und bei 2 Patienten moderat (<200), lediglich ein Patient mit den pathologischsten Labor-Werten für die Entzündungsaktivität Procalcitonin, Interleukin 6 und C-reaktives Protein erhielt eine Lungenersatzverfahren (Extrakorporale Membranoxigenierung (ECMO) zum Zeitpunkt der Plasmatherapie.

Therapie: AB0-kompatible (4 x Gruppe B(!), einmal A) Plasmatransfusion (2x 200-250ml, max 400ml) am selben Tag der Spende vom Covid-19-Konvaleszenten.

Effekt: Virusnachweis bei allen nach 12 Tagen negativ, Lungenfunktion und Horowitz besserten sich deutlich, bei 3 Patienten war die Extubation und bei einem Weiteren die Entwöhnung von der ECMO möglich, bei 4 von 5 Patienten stieg die körpereigene AK-Produktion.

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