Eine Übersicht zu den Transfusionspraktiken bei Neu- und Frühgeborenen- was ist Evidenz?

Iskander IF et al. Neonatal RBC transfusions: Do benefits outweigh risks? Transfus Apher Sci. 2018 May 9. pii: S1473-0502(18)30175-7. doi: 10.1016/j.transci.2018.05

 
Kaum eine Therapie für anämische Frühgeborene ist so wichtig und häufig benutzt - Lebensrettung durch Bluttransfusion von Erythrozyten ! Aber nutzen wir diese Maßnahme nicht allzu großzügig? Wie ist die Evidenzlage?
 
Der Artikel von Iskander und Mitautoren ruft eingangs in Erinnerung, dass Frühgeborene das meist-transfundierte Kollektiv darstellen. Ursachen der Anämie sind Blutung, Hämolyse, Aplasie oder Enzündung. Anämie ist bei Säuglingen und Früh- oder Neugeborenen definiert als die Verringerung des Hämoglobinspiegels (HB) um mehr als 2 Standardabweichungen von der Altersnorm des Postnatalalters.
 
Die Transfusionstrigger in der Übersicht:
Transfusionstrigger in g/dl
Alter  (n. Geburt) beatmet Sauerstoff Raumluft
erste 24h <12 <12 <10
Tag 1-7 <12 <10 <10
2. Woche <10 <9,5 <7,5
3.-15. Woche <10 <8,5 <7,5
 
 In dem Übersichtsartikel wird die Datenlage und Begründung für die restriktiven Empfehlungen zur Erythrozytentransfusion erläutert als auch die Strategien der Vermeidung von Transfusionen erläutert. Es wird ebenfalls klar, dass die Evidenzlage für dieses Kollektiv relativ dünn ist.
 
Die vermuteten Mechanismen für die Schädigungen, die in diesem Kollektiv nach Transfusion beobachtet werden, werden großteils aber kontrovers diskutiert:
  • Oxidative Schäden

Transfusion von adulten Erythrozyten ohne fetales Hämoglobin (Hb) exponieren das Gewebe der Neugeborenen mit unphysiologisch hohen Sauerstoffspannungen bei gleichzeitiger Unreife des Antioxidanz-Systems.

  •  Transfusionsassoziierte nekrotisierende Enterokolitis (TANEC)

Die Ätiologie und Pathogenese dieser Erkrankung wird widersprüchlich diskutiert: Die zur Transfusion führende Anämie könnte durch eine hypoxische Anämie des Darmes die normale Entwicklung des intestinalen Vasotonus behindern. Das würde eher zur strikten Vermeidung der Anämie und eventuell zur liberalen Transfusion auffordern. Auf der anderen Seite sprechen der durch die Transfusion verursachte Reperfusionsschaden im Splanchnikusgebiet, das Ungleichgewicht zwischen eingeschwemmten Vasodilatatoren und Konstringenzien in Zusammenhang mit der unreifen Autoregulationsfähigkeit des neonatalen Gefäßbetts und die niedrige NO-Spiegel von gelagerten Erythrozyten, immunologische Schäden durch transfundierte IgM, gestörte Mesenterialdurchblutung durch Phasen von Flaschenernährung zeitgleich mit EK-Transfusionen gegen eine Therapie mit gelagerten Erwachsenen-Erythrozyten.

  • Intraventrikuläre Blutungen (IVB)

In den ersten 5 Tagen trifft jeden 5. Frühgeborenen unter 1500g Geburtsgewicht diese schwerwiegende Komplikation! Auch hier werden viele Ursachen diskutiert, unter den Plausibelsten sind Geburtstraumen, Schock, Asphyxie, meningeale und zerebrale Hyperperfusion durch Hyperkapnie und Azidose, Blutdruckschwankungen bei defekter zerebraler Autoregulation sowie rasche Volumenexpansion durch Ek-Transfusion. Retrospektive Studien berichten über eine Reduktion der Rate an IVB von 17 auf 8% parallel zur Verringerung der Rate an transfundierten Ek von 58 auf 25% in den ersten 5 Tagen. Mehr als ein Viertel (27%) der Transfundierten erlitten diese Blutung im Vergleich zu nur 2% der nicht transfundierten Kinder.  

  •  Retinopathie (ROP) und Eisenüberladung

Die Transfusion und die assoziierte Eisenüberladung, oxidativer Stress durch freie Radikalbildung und Transfusion von freien Radikalen, freiem Eisen, proinflammatorischen Mediatoren werden für die Neugeborenenretinopathie verantwortlich gemacht, ohne dass eine restriktive Transfusionsstrategie die Inzidenz des ROP senken konnte. Eisenüberladung wurde außerdem mit bronchopulmonaler Dysplasie und Infektanfälligkeit in Verbindung gebracht, ohne dass harte Evidenz dafür zu erbringen war.

  • TRALI
Auch beim Neu- und Frühgeborenen sind Fallberichte über diese Komplikation veröffentlicht. Daten zu Inzidenz fehlen ebenso wie einleuchtende Erklärungen eines Pathomechanismus.
 
Ein kurzer knapper Artikel mit interessanten Überlegungen zu einem wichtigen Thema , leider ohne viel hinterlegte Evidenz.
 
 

Pubmed

Für Sie gelesen von T. Frietsch

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