Kaltgelagerte Thrombozytenkonzentrate - ein Ausblick

Devine DV. Novel platelet products including cold-stored platelets. Hematology Am Soc Hematol Educ Program. 2022;2022(1):421-423. doi:10.1182/hematology.2022000400

Thrombozytenkonzentrate sind ganz besondere Blutprodukte:

  1. Die Übertragung von pathogenen Keimen ist bei Thrombozyten häufig
  2. Die Logistik ist aufgrund der notwendigen Lagerung bei Raumtemperatur und der damit verbundenen Haltbarkeit von maximal 4 Tagen sehr schwierig
  3. Die Funktion der transfundierten Plättchen ist ungewiss, da nur die Plättchenzahl, nicht aber die Funktion standardisiert ist.
  4. Aufgrund der nicht exakt bestimmten Funktion sind untere Transfusionstrigger anhand der noch vorhandenen Restanzahl im Patienten mit unterschiedlichen klinischen Situationen nur unscharf festzulegen
  5. Der Transfusionserfolg kann durch Antikörper (HNA, HLA) beeinträchtigt werden und die Konservenauswahl bei Refraktärität extrem aufwendig machen

In einer kurzen Übersicht hat nun eine Forscherin aus dem kanadischen Blutspendedienst in Vancouver (aktiv an der Kalt-Lagerung von TKs forschend) den neusten Stand der Bewertung verschiedener Strategien vorgestellt, was auch bei uns in der nächsten Zeit an technischer Entwicklung der Thrombozytenkonzentrate (TK) zu erwarten ist bzw. in Deutschland schon praktiziert wird:

A.) Pathogen-Inaktivierung:

Die Vorstellung von neuen Techniken zur Pathogen-Inaktivierung in den USA sind hierzulande bereits routinemäßig eingeführt (siehe RiLi Hämotherapie 2017,Kap. 3.2.2.4): Nach Apherese wird zunächst das noch enthaltene Spenderplasma entfernt, Amotosalen der Lagerungslösung für Thrombozyten hinzugefügt und der spezielle Bestrahlungsbeutel UVA -Licht ausgesetzt. Dieses Verfahren vermeidet mit hoher Sicherheit eine Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (Graft-versus-Host- Disease, GvHD) gemäß Zulassung/Gebrauchs- und Fachinformation, das heißt es muss nicht noch zusätzlich mit Röntgenstrahlen behandelt werden, um die Restleukozyten und Erreger zu inaktivieren. Es bleibt aber einer besonderen Empfängergruppe vorbehalten, nämlich immun-geschwächten, Knochenmarktransplantierten und weiteren besonders sensiblen Empfängern z.B. aus der hämato-onkologischen Klinik. Auch Poolkonzentrate und Plasma können in gleicher Weise behandelt werden.

Der Artikel belegt die Techniken mit dem Nachweis von einer höheren Effektivität der Thrombozytensubstitution aus den Studien SPRINT und EuroSPRINT (Mittlere Dosis 3,9 vs. 4,3 bzw. 3,7 vs 4,0 x1011), aber einem verkürzten Intervall zwischen den Transfusionen, geringerem Inkrement (korrigiertes 24h Inkrement 6,4 vs 10,1 bzw. 7,5 vs 10,6 x 103) und einer zum Teil höheren Anzahl von benötigten Konserven. Das ist vermutlich der Aktivierung und geringeren Anzahl der Thrombozyten/pro Konserve durch die Inaktivierung geschuldet. Weitere Studien PRePARES mit Mirasol-Behandlung aus Canada, Norwegen und den Niederlanden  und auch die Behandlung mit Riboflavin bestätigen die Ergebnisse aus EuroSPRINT und SPRINT. Außerdem gibt es überzeugende Hinweise auf eine erhöhte Rate an Refraktärität aus einem Cochrane-Review mehrerer Studien.

B) Kalt-gelagerte Thrombozytenkonzentrate

Da wir aus den Anfängen der Komponentenproduktion und der nachfolgenden Aufbewahrung von Thrombozyten bei Kühlschranktemperatur wissen, dass die Kühlung eine Aktivierung und eine kürzere Halbwertszeit im Kreislauf bewirkt (über auf den Plättchen exprimierte β-N-Acetylglucosamine von sog. Ashwell-Morrell Rezeptoren in der Leber), wurde trotz der logistischen Erschwernis die Lagerung von TK bei Raumtemperatur wieder eingeführt. Eine Aktivierung ist aber generell bei blutenden Patienten vorteilhaft, nicht aber bei prophylaktischer Thrombozytengabe. Die Indikationen zur prophylaktischen Gabe von Thrombozytenkonzentrate sind gemäß Querschnittsleitlinien Hämotherapie von 2020 aber wenigen Sonderfällen wie zum Beispiel Thrombozytenzahlen unter 5000/µl (Kap 2.5.5.1 mit niedrigem Evidenzgrad 2c) vorbehalten (siehe auch die Tabelle 2.5.2.1 nach den Empfehlungen der französischen Leitlinienkommission AFSSaPs, die bei nicht vorhandenen Blutungen und großen Eingriffen eine prophylaktische TK-Transfusion nur abhängig vom Blutungsrisiko des vorgesehenen Eingriffs und der empfohlenen Thrombozytenzahl empfiehlt). Die in den USA laufende Studie (Spinella et al. NCT04834414) versucht über den Nachweis der erhöhten Effizienz von kalten Apherese-TKs in der akuten Blutungssituation eine Änderung der Bewertung herbeizuführen. Nicht nur die Übertragungsraten von Erregern könnten mit dieser Strategie gesenkt, sondern auch die Verfügbarkeit von TKs durch eine Erweiterung der Lagerdauer auf 14 Tage erreicht werden.

C- Kryoppräservierung-Gefrorene Thrombozytenkonzentrate

Hauptsächlich im Militär wurde das Einfrieren von TKs erforscht. Das vorherige Waschen ist mit einem hohen Zellverlust verbunden. Vor dem Gefrieren müssen die Plättchen in Dimethylsulfoxid intubiert werden (nach dem Preparationsprotokoll aus Boston) und dann nach Entfernung der Inkubationslösung und Plasma als Pellet eingefroren. Lagerbar ist das so erhaltene Produkt für 12 Monate. Das Auftauen vor Anwendung erfordert kompatibles Empfänger-Plasma. Auch hier dringt die Zell-Aktivierung durch die Konservierungsmethode eine Indikationseinschränkung auf aktive Blutungen. Sinnhaft erscheint diese Methode nur in strukturärmeren Regionen wie Australien und USA, eine kontrollierte australische Studie CLIP-I ist derzeit im Gange.

Der kurze Überblick der Lagerung und Präparationsformen der Thrombozyten aktiviert möglichweise berechtigt die Neu-Bewertung der Kaltlagerung- auch in Deutschland. Eine zukünftige, aber meines Erachtens wichtige, neue Form, besonders in der Herzchirurgie hat die Autorin vergessen- die autologen Plättchenkonzentrate, die durch Cell-Saver/maschinelle Autotransfusionstechnik gewonnen werden können. Die Geräte dafür haben im November ihre CE-Zulassung erhalten und werden derzeit in Studien erprobt. Wir werden in Kürze vermutlich über Studien berichten können.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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