Neues vom Rekonvaleszentenplasma

Katz LM. (A Little) Clarity on Convalescent Plasma for Covid-19. N Engl J Med. 2021;384(7):666-668. doi:10.1056/NEJMe2035678

Ob die Therapie mit Rekonvaleszentenplasma wirklich so vielversprechend ist, wie wir sie in Ermangelung von anderen Therapieoptionen gerne hätten, ist fraglich. Zuletzt hatte Simonovic et al. die Erwartungen stark gedämpft: Die PlasmAr Studie hatte keinen signifikanten Effekt auf die 30-Tage Mortalität von Patienten mit Covid-19-Pneumonie ergeben.

In einem Editorial hatte Louis Katz den aktuellen Stand im Januar 21 zusammengefasst und hat eine erfolgreiche Studie mit klinischen Empfehlungen zur Anwendung von Rekonvaleszentenplasma (RKP) in Anbetracht der begrenzten Verfügbarkeit ersehen. In der Januar Ausgabe des New England Journal findet sich die Studie von Libster et al. zum RKP, in Transfusion gab es im März 21 noch ein Editorial (Zeit für eine zielgerichtete therapie mit RKP von Knudson & Jackson, s.u.).

Observationsstudien im Allgemeinen, nicht nur diese zur RKP-Anwendung, ergeben aufgrund einer fehlenden Kontrollgruppe und der oftmals begrenzten Fallzahlen, eher ein positives Ergebnis. Die kontrollierten Studien sind oftmals ernüchternd. Im Fall von RKP ist die Datenlage begrenzt. Demnach sind die verfügbaren Publikationen und auch die offiziellen Empfehlungen von Zulassungs- und Kontrollbehörden unterschiedlich:

Die Arzneimittelaufsicht der USA (FDA) empfahl bereits im August 2020 den Einsatz von RKP im Rahmen einer Notfallzulassung. In Anbetracht der (damaligen) Gesamtheit der Daten und in Anbetracht der wenigen Behandlungsalternativen verfasste sie eine entprechende Verfahrensempfehlung zur Herstellung und den Qualitätskriterien. Seit neustem empfiehlt sie die Ettikettierung als hoch - oder niedrig-Titer-RKP.

Die amerikanische Gesundheitsbehörde NIH sah sich aber außerstande, eine Empfehlung für oder gegen den Einsatz von RKP abzugeben. Die amerikanischen Infektionsmediziner als auch die Transfusionsmediziner der AABB veröffentlichten eine gemeinsame Ablehnung der RKP-Anwendung ohne die Einbettung in eine kontrollierte Studie. Insbesondere wurde der Einsatz bei Intensivpatienten als nicht eindeutig positiv, weil oft als zu spät, bewertet. RKP sollte spätestens 3 Tage nach Diagnosestellung eingesetzt werden. In Deutschland hatte das Paul-Ehrlich-Institut PEI bereits im Juli eine multizentrische Studie genehmigt. In individuellen Heilversuchen kann RKP formal in Deutschland jedoch immer eingesetzt werden. Andere internationale kontrollierte Studien sind derzeit noch in der Rekrutierungsphase (zum Beispiel CONFIDENT).

Louis Katz kommentierte die positive Studie von Libster et al. aus der ersten Januarwoche: Bei n=160 Covid-19-infizierten Patienten wurde RKP bei der Hälfte randomisiert gegen Placebo getestet. Der Einsatz von einmalig 250ml war früh (innerhalb von 3 Tagen nach Symptombeginn und das RKP hochtitrig (> 1:1000 IgG gegen das Spikeprotein). Lediglich weniger als die Hälfte (48%), n=13 von 80 RKP-Behandelten (16%) gegenüber n=25 von 80 Placebopatienten (31%) erlitten eine schwere Covid-19 Pneumonie (RR relative risk, 0.52; 95% confidence interval [CI], 0.29 to 0.94; P=0.03).

In Anbetracht der unbestätigten Warnungen hinsichtlich der kurzfristigen Nebenwirkungen der Plasmatherapie (Zytokinsturm, allergische und febrile Transfusionsreaktionen, Volumenüberladung und TRALI, etc.) konstatierte Katz ein vernachlässigbares Nebenwirkungsprofil aus den bisherigen Studien. Für einen großzügigen Einsatz sieht er dennoch aufgrund der eigenen Daten seiner Blutbank wenig Berechtigung. Diese weisen einen ausreichend hohen RKP-Antikörperspiegel lediglich bei 19%, also weniger als in jeder 5.RKP-Spende aus. Er verweist auf die Eignungskriterien zum Einsatz aus der Studie von Libster et al.:

  • Symptombeginn und positiver PCR-Rachenabstrich nicht länger als vor 2 Tagen/48h
  • Fieber > 37,5°C
  • Symptome wie Husten, Frösteln, Dyspnoe, Gliederschmerzen, Appetitverlust, Schnupfen , Geruchs- und Geschmacksverlust
  • RKP AK IgG gegen Spikeprotein > 1:1000

 

PUBMED-Libster R, Pérez Marc G, Wappner D, et al. Early high-titer plasma therapy to prevent severe Covid-19 in older adults. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2033700

In einer weiteren retrospektiven Studie von Joyner et al., die bereits im November 2020 (Joyner et al.) auf einem Preprint-Server erschienen war, wurde gefunden, dass die Höhe der Antikörpertiter im RKP einen wesentlichen Einfluss auf die Mortalität von Covid-19-Patienten, die noch nicht beatmet werden, hat. Allerdings hat geschätzt nur jeder 5. RKP-Spender einen ausreichend hohen AK-Titer.

Analysiert wurden über 3000 Patienten der nationalen amerikanischen Studiendatenbank hinsichtlich der 30-Tage-Mortalität in Abhängigkeit vom AK-Titer des RKP. Die oben erwähnte Notfallzulassung und Datenerfassung der FDA war allen RKP-Anwendungen bei Hochrisikopatienten zugrundegelegt. Ein hohes Risiko für eine schweren Verlauf der Covid-19-Infektion war Sepsis, respiratorisches Versagen, Multiorganversagen, Beatmung oder Sauerstoffpflicht, pneumatische Infiltrate und Horowitz < 300. 

Die Antikörpertiter im RKP wurden nicht anhand der neutralisierenden AK bestimmt, sondern mit den IgG gegen das Spikeprotein (das mit den neutralisierenden AK gut korreliert). Der verwendete Laborassay (VITROS Anti–SARS-CoV-2 IgG chemiluminescent immunoassay (Ortho-Clinical Diagnostics)) unterschied niedrige ( (<4.62), mittlere (4.62 - 18.45) und hohe AK-Titer (>18.45) an diesem IgG. Diese sind übersetzt in den sonst gebrauchten Test der Mayo Clinic (in Rochester, MN, USA) wie niedrig im Bereich von 1:160 und hoch im Bereich von 1:2560.

Es starben in dem 30-Tage-Zeitraum 115 von 515 Patienten (22.3%) in der Hoch-Titergruppe, 549 von 2006 Patienten (27.4%) in der Medium-Titergruppe und 166 von 561 Patienten (29.6%) in der Niedrig-Titergruppe.  Die Subgruppe der Nicht-beatmeten Patienten wurde ebenso stratifiziert nach AK-Titer des RKP analysiert: Die 30 Mortalität betrug in der Niedrig-Titer-Gruppe 22.2% (81 von 365; 95% CI 18.2 - 26.7), in der Medium-Titergruppe 19.4%; (251 von 1297, 95% CI 17.3 - 21.6) und in der Hoch-Titergruppe 14.2% ( 50 von 352, 95% CI 10.9 - 18.2).

Auch in dieser Studie war die Mortalität gesenkt, wurde das RKP für und weniger als 3 Tage nach Diagnosis verabreicht. Der Effekt nach oder während der Beatmung ist schwach und sinkt weiter mit der Zeit nach Diagnosenstellung. Das Alter der Patienten erhöht in allen Gruppen das Risiko, zu versterben.

PUBMED-

Joyner MJ et al. High-titre plasma reduces mortality risk in non-ventilated hospitalised COVID-19 patients: Study. N Engl J Med. DOI: 1NEJMoa20318930.1056/

Knudson & Jackson arbeiteten zusätzlich heraus, dass die Patienten vor dem Einsatz von RKP eine AK-Titerbestimmung bkommen sollten, da sich die Wirkung nur bei seronegativen Empfängern in mehreren Studien als erfolgreich herausstellte.  Sie berichten aus der eigenen Praxis, dass der Einsatz von 1 bis 2 Einheiten hochtitrigem RKP führt zum Erfolg UND zur Serokonversion. In der mittlerweile fortgeschrittenen Phase der Pandemie scheint es demnach sinnvoll zu sein, bei Aufnahme der PAtienten einen AK-Test durchzuführen und einen negativen AK-Test als "Transfusionstrigger" für das RKP zu benutzen.

Kudson&Jackson. COVID‐19 convalescent plasma; time for “goal directed therapy”? Transfusion 2021; 15.3.21. https://doi.org/10.1111/trf.16381

 

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