Steuerung und Monitoring der Transfusion durch Gewebeoxygenierung

Leal-Noval SR et al. Red blood cell transfusion guided by near infrared spectroscopy in neurocritically ill patients... J Neurotrauma. 2017 Sep;34(17):2553-2559. doi: 10.1089/neu.2016.4794.

Wie beurteilt man die Indikation von Erythrozytenkonzentraten am besten? Nach Hämoglobinspiegeln, die in Leitlinien angegeben sind und für viele, aber nicht alle, Patienten das richtige Maß sein könnten (wenn man Normovolämie gleichzeitig feststellen könnte)? Genauer und individuell angemessener erscheint es doch, den durch Erythroyzytenkonzentrate beabsichtigten Effekt im Gewebe zu messen. Das hat nun eine Studie prospektiv bei Patienten auf der Neurointensivstation getan und mit dem Hämoglobinkorridor verglichen.

Die Arbeitsgruppe von Leal- Noval et al. ist das erste Forschungsteam, die diesen Ansatz verfolgt. Gesteuert und gemonitored wurde die EK-Transfusion durch die Messung der Gewebeoxigenierung mittels eine NIRS-Sonde (Near infrared  regional cerebral oxygen saturation (rSO2)) bei Patienten mit einer moderaten Anämie (Hb von 7 und 10 g/dL). Randomisiert wurden die Patienten entweder in einem Hb-Korridor von 8.5 bis 10 g/dL gehalten oder nur dann transfundiert, wenn die rSO2 auf der Stirn (Frontalhirn) unter 60% fiel.

Im Vergleich zur Standardmethode (Hb 8,5-10 g/dl) wurden signifikant weniger EKs pro Patient transfundiert (mean difference, 0.51 U [95% CI -1.008 to -0.002]; P = 0.04) und diese Gruppe hatte niedrigere Hämoglobinspiegel als die Vergleichsgruppe.  In der rSO2-Gruppe bewirkte die Transfusion eines EKs einen Hb-Anstieg von mehr als 1g/dl (7,7 ± 4 auf 88,7 ± 7 g/dL) synchron zu einem rSO2 - Anstieg von 3-4% (55 ± 4 auf 58 ± 4%). 

Die Anzahl der Patienten pro Gruppe, die transfundiert werden mussten (= Transfusionrate) war aber gleich (59% vs. 71%; relative risk 0.83 [95% CI 0.62-1.11], n.s.), ebenso fanden sich keine Unterschiede hinsichtlich Krankenhausverweildauer (21 vs. 20 Tage), Glasgow Outcome Scale scores bei Entlassung (57% vs. 71%), In-hospital-Mortalität (6% vs. 10%) oder 1-Jahres-Mortalität (24% vs. 24%).

Nun ist die NIRS Messung im Gewebe des oberflächlichen Frontalhirns (Eindringtiefe der NIRS-Technik ca. 2cm) nicht unbedingt immer das Gewebe, das die ausgeprägteste Ischämie hat. Zudem die Sättigung lediglich den Anteil der oxigenierten Hämoglobinmoleküle angibt und nicht die Sauerstoffspannung im Gewebe oder gar die Sauerstoffnutzung durch das Gewebe repräsentiert. Aber immerhin ist die Messung der Gewebeoxigenierung eine Messung des individuellen Effekts der Transfusion auf repräsentatives und vulnerables Gewebe beim Neurointensiv-Patienten. 

Die Studie zeigt deshalb ausreichend verlässlich, dass der bei Neurointesiv-Patienten gewählte, doch eher liberale Transfusionstrigger von 8,5- 10 g/dl Hb wahrscheinlich zu hoch ist. Und dass die Messung des gewünschten  Effekts beim individuellen Patienten die anzustrebende, weil genauere und verlässlichere Therapie darstellt. Wenn diese Studie noch ausreichend gepowert gewesen wäre, wären vermutlich auch einige der Outcomes unterschiedlich gewesen.  

Solche Studien brauchen wir mehr, solche Techniken müssen wir häufiger einsetzen und die daraus entstehenden Studien sollten ausreichend gepowert sein.

Pubmed

Für Sie gelesen von T. Frietsch

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