Patient Blood Management in der Kinder-Herzchirurgie - NATA-Guidelines

Faraoni D et al. Patient Blood Management for Neonates and Children Undergoing Cardiac Surgery: 2019 NATA Guidelines. J Cardiothorac Vasc Anesth. 2019 Mar 20. doi: 10.1053/j.jvca.2019.03.036

Große Blutverluste, Herzlungenmaschine, Gerinnungsstörungen und vorbestehende multifaktorielle Anämie sind die Ursachen, weshalb unsere kleinsten und kränksten Patienten am häufigsten transfundiert werden. Aus diesem Grund sind evidenzbasierte Leitlinien zur Einsparung von Blutprodukten und zur Optimierung der individualisierten Hämotherapie besonders wichtig, existieren bislang aber nur für Erwachsene.

Die NATA hat sich des Problems angenommen. David Faraoni aus Toronto und Kollegen der NATA haben die Evidenz anhand der vorhandenen Literatur beurteilt und in die GRADE-Empfehlungsmethodik gebracht. Folgende Empfehlungen für die Herzchirurgie bei Neugeborenen. Säuglingen und Kleinkindern sind dabei ausgearbeitet worden:

1.) Präoperative Anämie: Starke und eindeutige Empfehlung zur Diagnose und Behandlung des präoperativen Eisenmangels mit entweder oralen oder intravenösen Eisenpräparaten (Grade 1C). Erythropoetin (EPO) wird von den Autoren nur in speziellen Situationen empfohlen (z.B. Zeugen Jehovahs) (Grade 2C).

2.) Perioperatives Gerinnungsmanagement: Das Routinelabor (aPTT, PTT, Fibrinogen, Thrombozytenzahl) bei Kindern ohne Blutungsanamnese zum Screening vor herzchirurgischen Eingriffen ist nicht empfohlen (Grade 1C).

3.) Fibrinolytika: Die Autoren empfehlen die prophylaktsiche Gabe von Lysinanaloga (Tranexamsäure TXA oder Epsilonaminokapronsäure EACA) für alle Neugeborenen und Kinder, die sich einem Eingriff mit Herzlungen-Maschine (HLM) unterziehen müssen oder/und in Fällen mit verstärkter intraoperativer Blutung und erhöhtem Transfusionsbedarf (Grade 1B). Dabei soll den Lysinanaloga Vorzug vor Aprotinin gegeben werden (Grade 2C). Hohe Dosen von Lysinanaloga sollen wegen der Gefahr von Krampfanafällen vermieden werden (Grade 1C).

4.) HLM: Die Implementierung von Miniatur-HLM-Kreisläufen für Neugeborene und Kleinkinder wird von den Autoren zur Reduktion von Hämodilution und Transfusionswahrscheinlichkeit befürwortet (Grade 1C).

5.) Transfusionstrigger unter HLM: Die Autoren empfehlen einen Hämatokrit von >24% bzw. Hb-Spiegel von 12 g/dl während der HLM, basierend auf der Einschätzung der Hämodilution durch die HLM-Füllung und Kardioplegie (Grade 2C).

6.) Füllung der HLM (Priming): Bei Neugeborenen unter einem Lebensalter von 30 Tagen empfehlen die Autoren die Zugabe von Gefrierplasma FFP zur Primingflüssigkeit (Grade 2C), was wegen der fehlenden Evidenz nicht bei Kleinkindern und älteren Kindern empfohlen werden kann. (C). Kolloidale Lösungen (z.B. Albumin) sollten zur klaren Füllung der HLM bevorzugt werden (gegenüber Kristalloiden) (Grade 1C).

7.) Ultrafiltration: Konventionelle Ultrafiltration (während der HLM) oder 10-minütige modifizierte Ultrafiltration (nach dem Weaning von der HLM) ist für Neugeborenen und Kleinkinder empfohlen (zur Beseitigung von Wasser, Elektrolyten,Proinflammatoren und Kleinstpartikel und den daraus resultierenden Volumenüberladung, Hämodilution, Gerinnungsfaktorenaktivität)(Grade 1B).

8.) Maschinelle Autotransfusion (MAT) und Hämodilution: Der Einsatz von MAT zur Reduktion des Fremdblutbedarfs ist angeraten (Grade 1C), nicht jedoch der Routineeinsatz der ANH (Grade 1C). Ebenso ist die Retransfusion des Restbluts aus der HLM über die MAT empfohlen , um Fremdblutexposition weiter zu vermeiden (Grade 2C).

9.) Antikoagulation und Monitoring: Die Autoren sprechen die Empfehlung aus für

  • die Verwendung der Vollblut ACT oder der Heparinkonzentration zur Beurteilung der Heparinreaktion von Neugeborenen und Kindern (Grade 1B) in einem Zielbereich von ACT >480 s vor und während der HLM (Grade 1B).
  • die initiale Gabe von 400 U/kg unfraktioniertem Heparin vor Beginn der HLM (Grade 1C). Bei Heparinresistenz und ohne Antithrombin-Mangel sollen weitere 100 U/kg gegeben werden (Grade 2C). Bei Antithrombinmangel-bedingter Heparinresistenz soll FFP (10 mL/kg) gegeben oder Antithrombin substituiert werden (Grade 1C).
  • die Dosierung von Protamin anhand der gegebenen Heparingabe (Grade 1C). Dabei ist ein Verhältnis von 1:1 oder höhere Protamingaben wegen des erhöhten Blutungsrisikos zu vermeiden (Grade 2C).
  • die Verwendung von direkten Thrombininhibitoren bei HIT II (Grade 1C).

10.) Koagulationsmonitoring: Bei starker Blutung soll der Einsatz von Blut- und Gerinnungsprodukten durch den Einsatz intraoperativer Gerinnungsanalytik gesteuert werden (Grade 1B), am besten integriert in institutionseigene Algorithmen (Grade 2C). Der Einsatz von viscoelastischen Tests stellt zur intraoperativen Blutstillend eine Alternative zu den Standardgerinnungsassays dar (Grade 2C).

11.) Postoperativer Transfusionstrigger: Bei stabilen und azyanotischen Kindern ist die Transfusionsschwelle von einem Hämoglobinspiegel (Hb) von 7,0 g/dl empfohlen, bei symptomatischen Patienten von Hb <8g/dl (Grade 1B).Bei stabilen und zyanotischen Kindern und Zeichen der anämisch bedingten Hypoxie ist die Transfusionsschwelle von einem Hämoglobinspiegel (Hb) von 9,0 g/dl empfohlen (Grade 1C).

12.) Postoperative Thrombozytentransfusion: Thrombozytentransfusion ist nur in Fällen der starken anhaltenden Blutung trotz erfolgreicher Heparinantagonisierung empfohlen (Grade 2 C).

13.) Postoperative Fibrinogentherapie: Hypofibrinogenämie (durch CLAUSS-Methode (<1.5 g/L) oder viskoelastische Tests nach Institutsalgorithmus sollte behandelt werden (Grade 1C) mit Kryopräzipitat oder Fibrinkonzentrat (Grade 2C). Nur wenn die beiden Therapeutika nicht zur Verfügung stehen, kann auch mit FFP therapiert werden (Grade 2C).

14.) Postoperative Therapie mit Prothrombinkomplextkonzentrat PPSB: Der Einsatz von PPSB in dieser Indikation ist ohne Evidenz, deshalb lediglich im Rahmen klinischer Studien empfohlen (Grade 1C).
 
15.) Postoperative Therapie mit DDAVP und rekombinantem F VII: Beide Medikamente sind zur Behandlung der erworbenen Koagulopathie in der Kinderherzchirurgie nicht empfohlen (rFVIIa-Grade 1C; DDAVP-Grade 1B), da sie wenig Evidenz und keinen Behandlungsvorteil in der vorhandenen Datenlage erbracht haben.
 
Eine tolle weil wichtige Initiative der NATA und deren Autoren, wie ich meine. 
 
 
 
Für Sie gelesen von Th. Frietsch
 

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