PERIOPES- Präoperatives Anämiemanagement in Europa

Lasocki S, Belbachir A, Mertes PM et al. Evaluation of Anemia and Iron Deficiency in French Surgical Departments: The National Multicenter Observational PERIOPES Study. Anesth Analg. 2023;10.1213/ANE.0000000000006362. Online ahead of print.

Wie hoch ist das Einsparungspotenzial an Blutkonserven in unserem Nachbarland Frankreich, weil die präoperative Anämie nicht diagnostiziert und behandelt wird? In Deutschland hatten wir in einer älteren Umfrage zum Status der Umsetzung des Patient Blood Management (PBM) gesehen, dass die größten Defizite in kleineren und mittleren Häusern genau dort liegen. Die Arbeitsgruppe um Sigismund Lasocki hat nun anhand einer multizentrischen Beobachtungsstudie PERIOPES gezeigt, dass es auch in Frankreich noch erheblichen Nachholbedarf gibt.

Dafür werteten Sie retrospektiv von 2019 bis 2021 Daten von 2345 Patienten (Alter im Durchschnitt 68 J; weibl. 50.9%; ASA Status III-IV, 35.4%) aus 16 Zentren aus. Davon waren 10 Universitätskliniken, 3 Krankenhäuser in öffentlicher und 3 in privater Trägerschaft. Nur 5 Einrichtungen hatten ein umschriebenes PBM Programm.

Die Hälfte aller Patienten wurden orthopädisch (51,3%), der Rest viszeral-, gefäß-, Thorax-, kardio-, neuro-, kardiovaskulär, urologisch, gynäkologisch und geburtshilflich operiert (12,0%; 5,9%; 8,5%; 5,3%; 4,9%; 3,5%; 3,4%; 2,6% und 2,6%).

 

In Frankreich vergehen ab der Prämedikationsvisite im Median 27 Tage (d) vor elektiven orthopädischen Eingriffen, 32 d vor neurochirurgischen, 18- 19 d vor GYN/Geburtshilflichen, 7 Tagen vor kardiovaskulären und 12-14 d vor Eingriffen in den restlichen Disziplinen. In kardiovaskulären Abteilungen war der Anteil der Patienten mit einer Vorbereitungszeit unter 21 Tagen besonders hoch (80%).

Beim anästhesiologischen Prämedikationsgespräch fand fast bei allen (90,1%) gleichzeitig die Messung des Hämoglobingehalts statt. In der Geburtshilfe waren fast alle Patienten anämisch (91%), in der Viszeralchirurgie, der Herzchirurgie und Gynäkologie war die Hälfte der zu operierenden Patienten bei der Voruntersuchung anämisch (Durchschnitt 34,2%). Von allen anämischen Patienten wurden 30,1% präoperativ mit intravenösem Eisen (ivFe), ivFe + Erythropoetin oder oralem Eisen alleine (49%, 23% oder 13%) behandelt.

Der Anteil der Eisenmangelanämien war in der Herzchirurgie bei 83%, in der Orthopädie 36%, in der Thoraxchirurgie nur knapp 2% (im Durchschnitt in 30,3 %). Fand eine Anämiediagnostik statt, fand sich in 48,5% eine Eisenmangelanämie, die zu 43,5% auch behandelt wurde.

Der Anteil der Terminverschiebung des Eingriffs war bei anämischen und nicht-anämischen Patienten gleich hoch (9%). Von allen Patienten benötigten 13,4% Bluttransfusionen (n=479, davon in der kardiovaskulären Chirurgie zu 42%, der Herzchirurgie 39%, der Gefäßchirurgie 25%, der Viszeralchirurgie zu 15%, der Orthopädie 9% ).

Bei 77% aller Transfusionsepisoden wurde kein Transfusionstrigger angegeben. Ein restriktiver Transfusionstrigger wurde bei der Hälfte aller Transfusionssituationen nicht angewandt und meist wurden mehrere Konserven transfundiert anstatt nur einer (Einzelverabreichung nur in 37.2%). Konserven im Doppelpack wurden in 50% aller Transfusionsepisoden angewendet.

In Übereinstimmung mit anderen Studienergebnissen war auch in dieser retrospektiven Analyse festzustellen, dass transfundierte Patienten einen beinahe doppelten so langen Krankenhausaufenthalt (9 vs. 5 Tage) und deutlich mehr postoperative Komplikationen (30% vs, 6%) hatten. Mit dem Schweregrad der Anämie war auch eine ansteigende Rate an Wiederaufnahmen, Revisionseingriff und Tod assoziiert (von keiner Anämie (7%) zu milder, mittlerer, schwerer Anämie (10%,17%,39%). 

Ist es tröstlich, dass nicht nur in Deutschland präoperativ die Anämie nicht diagnostiziert wird und zu wenige Patienten behandelt werden? Nein, es zeigt uns eher, dass die Konzepte, die anderswo die erfolgreiche Einführung erreichen auch bei uns funktionieren können. Und dass wir gemeinsam am selben Strick ziehen müssen. 

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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