Anämie, Hämoglobinkonzentration und Blutvolumen- unsere Einschätzung ist nicht korrekt

Otto JM et al. Hemoglobin Concentration, Total Hemoglobin Mass And Plasma Volume In Patients: Implications For Anemia. Haematologica 2017; 102: 1477-1485; Doi:10.3324/haematol.2017.169680

Ist die sehr vereinfachte Einschätzung einer Anämie anhand der Hämoglobinkonzentration (Hb) korrekt? Spiegelt die Hämoglobinkonzentration im Plasma die Erythrozytenmasse korrekt wieder? Welchen Einfluss hat das Blutvolumen bei intensivpflichtigen als auch normalen chirurgischen Patienten? Hat das erhöhte Plasmavolumen bei Nieren- und Herzinsuffizienz keinen Einfluss auf die korrekte Einschätzung der Anämie? Diese immer wieder sehr wichtige Frage ist nun von einer englischen Autorengruppe beantwortet: Und in der Tat:  Wenn Anämie vor allem bei Krebspatienten, Nieren und Lebererkrankungen als auch Herzschwäche auftritt, sind wir in unserer Einschätzung anhand der Hb-Konzentration in die Irre geführt. Weil wir nicht unterscheiden können, ob der Hämoglobingehalt aufgrund einer Bildungsstörung oder Verlust von Erythrozyten bei normalem Blutvolumen niedrig ist oder der normale Hämoglobingehalt in einem erhöhten Plasmavolumen gelöst ist!

Die Anämie von 109 Patienten wurden prospektiv in 5 Gruppen untersucht, darunter gesunde Freiwillige, perioperative Patienten, Patienten mit chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (absolut erniedrigter Hämoglobingehalt durch enterale Verluste, inflammatorisch bedingte Depression der Erythropoese) , chronische Leberinsuffizienz (normaler oder erhöhter Hömoglobingehalt bei erhöhtem Plasmavolumen durch Hypalbuminämie, Hyperaldosteronismus oder Pfortaderhochdruck) und Herzinsuffizienz (ebenfalls erhöhtes Plasmavolumen durch vor allem Renin-Angiotensin-Aldosterin-Achsenstimulation bei normalem oder erniedrigtem Hämoglobingehalt).

Die Erythrozythenmasse wurde mit der "optimierten Carbonmonoxid (CO)-Rückatmungsmethode (oCOR)" gemessen, eine Markierung nicht mehr wie früher radioaktiv mit radioaktiver Chrommarkierung der Erythrozyten, sondern einfach durch 2-minütiges Atmen einer definierten Konzentration von CO und der Messung von COHb im Blut. 

DIe Hb-Konzentration war umso niedriger, je höher das Plasmavolumen war. Die Hämoglobinmasse korrelierte zwar gut mit der Hb-Konzentration bei Gesunden, chirurgischen Patienten und entzündlichen Darmerkrankung (r=0.687–0.871, P<0.001), war aber bei Leberinsuffizienz (r=0.410, P=0.11) und Herzinsuffizienz (r=0.312, P=0.16) nicht mehr aussagekräftig.In diesen Gruppen erklärte eine Wechsel an Hb-Masse nicht die Veränderung  an Konzentration(adjusted R2=0.109 and 0.052; P=0.11 and 0.16), während sie durch die Plasmavolumenveränderungen gut widergespiegelt wurde (R2 - 0.724 und 0.805 bei Herz und Leberinsuffizienz, P<0.0001).

Im Endeffekt müssen wir das Plasma- und Blutvolumen messen und kennen, um eine Anämie auch "Anämie- Blutarmut" zu nennen. Wichtige und kostspielige Therapien hängen davon ab. Sollten wir in Zukunft zur Prämedikation und vor Anämietherapie eine oCOR durchführen lassen?

Ich meine ja. Oder eine noninvasive CO und Volumetrie verwenden. 

zur Pubmed, zum Open Access Artikel

 

für Sie gelesen von

T. Frietsch, Mannheim 

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