Point of Care Bestimmung von Aggregationshemmern bei Unfallopfern

Oberladstätter D et al. A prospective observational study of the rapid detection of clinically-relevant plasma direct oral anticoagulant levels following acute traumatic injury. Anaesthesia 2020 Sep 18. doi: 10.1111/anae.15254. Online ahead of print.

Bei bewusstlosen und stark blutenden Unfallopfern bleiben oral eingenommene Antikoagulanzien (Dabigatran, Apixaban, Edoxaban oder Rivaroxaban) oftmals unbemerkt und sind unterdiagnostiziert, da sie bei einem Routinelabor-Panel nicht auffallen. Könnte man mit einem einfachen Test die Wirkung der vor der Traumablutung eingenommen Medikamente entdecken und auch antagonisieren, würde vermutlich der Ausmaß der Transfusionsbedürftigkeit drastisch gesenkt werden.

Dazu hat nun die Salzburger Arbeitsgruppe um H. Schöchl eine klinische monozentrische Kohortenstudie vorgelegt, in der mittels unterschiedlichen spezifischen chromogenen Testverfahren (Ecarintest für Diabigatran, Anti-Xa--test für die restliche DOACs Rivaroxaban, Epixaban und Edoxaban) mit den Plasmaspiegeln der Antikoagulantien und einem 6-Kanal-Thrombelastogramm korreliert wurde. Den üblichen Parametern wurden noch 2 Testverfahren auf dem modernsten Gerät der viskoelastischen Point-Of Care-Testverfahren POCT (Clotpro, Fa. Enacor GmbH, München) für die Ecarinzeit (ECA-test) und ein sogenannter Russel-Viperngift-Test(RVV-Zeit) für die Anti-Xa Messung hinzugefügt, die zeitgleich analysiert werden können. Es wurden 2 unterschiedliche Plasmaspiegel getestet(≥ 50 ng/ml und > 100ng/ml.

Über 9 Monate konnten über 200 Plasmaproben von 108 Traumaopfern (Edox n=30, Apixa n=57, Rivaroxan=50, Dabigatran n=66) hauptsächlich von Patienten mit Vorhofflimmern getestet werden. Doppelbestimmungen wurden nicht auf dem Clotpro durchgeführt. Die Tests korrelierten stark mit den Plasmaspiegeln: ECA-Test und Dabigatran (r = 0.9693), RVV- Zeit und Apixaban (r = 0.7391), Edoxaban (r = 0.9251) und Rivaroxaban (r = 0.8792, für alle signifikant p < 0.001). Ein ECA-Zeit von ≥ 189 sec zeigte mit 100% Sensitivität und 90% Spezifität Dabigatran-Plasmaspiegel ≥ 50 ng/ml an. 

Damit kann in Situationen mit unkontrollierter Blutung oder bei Überdosierungen vor oder während Operationen die Notwendigkeit der Antagonisierung oder Anpassung der Therapie schneller und einfacher ermittelt werden als mit der aufwändigen und >35 min dauernden Bestimmung der Plasmakonzentrationen, wenn überhaupt verfügbar. 

Plasmaspiegel der DOACs von ≥ 50 ng/ml sollen, wenn möglich, in Blutungssituationen antagonisiert werden, sind aber bei Hochrisikopatienten für mittlere und Hochrisikoeingriffe zu tolerieren. Für die thrombolytische Therapie sind Spiegel um die 100 ng/ml akzeptabel. Exakte Spiegel sind bei den POCT-Bestimmungen der DOAC-Aktivität bei Traumapatienten  hingegen nicht notwendig: Sie zeigen in kürzester Zeit an, ob die klinische Blutungssituation durch eine Überdosierung und dann von welcher DOAC-Gruppe mitbringt ist und was die therapeutischen Konsequenzen sind. Sie stellen deshalb auch eine echte Alternative zu den chromogenen DOAC-Assays dar. 

Dass es vermutlich nicht nur mit dem Clotpro, sondern auch mit dem TEG6s geht, hatte eine letztjährige Arbeit, allerdings an gesunden Freiwilligen gezeigt (Artang R, Anderson M, Nielsen JD. Fully automated thromboelastograph TEG 6s to measure anticoagulant effects of direct oral anticoagulants in healthy male volunteers.Research and Practice in Thrombosis and Haemostasis 2019; 3: 391–6.)

Für mich ist POCT-Gerinnung erneut eine vielversprechende Option für Traumazentren, die in Zukunft viele Patienten mit DOACs haben werden. 

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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