Postoperative Thromboembolie als Folge von präoperativen Bluttransfusion ?

Wang C et al. Association Between Preoperative Blood Transfusion and Postoperative Venous Thromboembolism. Ann Vasc Surg. 2020;S0890-5096(20)31076-1.

Bei Operationen mit hohem Blutverlust treten häufiger Volumenschwankungen und Anämien auf, die eine Transfusion notwendig machen. Ist das Auftreten von postoperativen Thrombosen den Volumenveränderungen geschuldet oder gar der zusätzlichen Gerinnungsaktivierung durch erfolgte Transfusionen? Ist die intra- oder postoperative Viskositätsveränderung oder die chirurgische inflammatorische Thrombogenese hauptsächlich verantwortlich?

Diesbezügliche Studien aus dem Vereinigten Königreich berichten zumindest über eine Rate an postoperativen Thrombosen innerhalb von 3 Monaten nach ambulanter Chirurgie von ca. 0,1% bis 0,3%, in Abhängigkeit von der Größe der Operation und ohne die Erfassung von Bluttransfusionen (Bouras G et al. Risk of Post-Discharge Venous Thromboembolism and Associated Mortality in General Surgery. PLoS One 2015 10(12): e0145759. doi:10.1371/journal.pone.0145759). In der amerikanischen Datenbank für stationäre Eingriffe ist die Bluttransfusion ein unabhängiger Risikofaktor. Trotz den üblichen amerikanischen prophylaktischen Maßnahmen und weiteren Einflüssen wie fehlende Leukozytendepletion von Erythrozytenkonzentraten ist die Rate an postoperativen Thrombosen und Embolien 0.8% (Tiefe Beinvenenthrombose TBVT -0.6%; Lungenembolie LE -0.3%; beides zusammen 0.1% und PERI-operative Bluttransfusion ist mit einem erhöhten Risiko dafür vergesellschaftet (LE: OR 2.1 (95% CI, 2.0-2.3), TBVT: OR  2.2 (95% CI, 2.1-2.4), beides: OR 1.9 (95% CI, 1.7-2.1) (Goel R et al. Association of Perioperative Red Blood Cell Transfusions With Venous Thromboembolism in a North American Registry. JAMA Surg 2018 Sep 1;153(9):826-833). Die Assoziation aus der Erfassungsdatenbank von 751 000 Transfundierten waren eindeutig dosisabhängig und über alle chirurgischen Fächer konsistent.

Was aber ist der Einfluss der präoperativen Bluttransfusion? Zumindest wird sie von einigen Kollegen als adäquate Therapie der präoperativen Anämie angesehen.

Die jüngst veröffentlichte Meta-Analyse zu diesem Thema von Wang et al. aus dem Annals of Vascular Surgery 2021 hat die veröffentlichten Artikel und Studien zu diesem Thema, die das Risiko der "postoperative Venenthrombose und/oder Embolie" (VTE) bei bereits präoperativ transfundierten Patienten im Vergleich zu nicht-transfundierten Patienten analysiert. 

Das maximale mittlere Alter der erwachsenen Patienten betrug 65J. Außer nicht näher bezeichneten chirurgischen Eingriffen waren Meningeomresektionen, Hüftendoproethetik, Knieprothesenwechsel, Laparoskopien, Gefäßchirurgische Operative Eingriffen und auch intensivmedizinische Patienten eingeschlossen.Die Diagnose der Thrombosen und Embolien war entweder wie aus der digitalen Krankenakte dokumentiert, mit Dopplersonographie oder mit Phlebographie (nur eine der 8 Studien).

Aus 8 meist Querschnittsuntersuchungen mit 3,5 Mio Teilnehmern (!) in den US und Canada konnte in dieser Studie ein fast 3 fach höheres Risiko errechnet (OR 2.95 (95% CI: 1.65-5.30; I2 = 89.1%)) werden, ein thrombo-embolisches Ereignis nach erfolgter Bluttransfusion zu erleiden. Alle weiteren Tests (Subgruppenanalyse, Sensitivität und Heterogenitätstest) untermauerten die Gültigkeit, der Vergesellschaftung von Transfusion zur Thrombembolie auch nach der Elimination von Störgrößen.

Die Diskussion der Ergebnisse ist sehr spekulativ und alle aufgeführten theoretischen Erklärungs-Möglichkeiten nicht sehr zutreffend oder gar wahrscheinlich. Plausible Erklärungen fänden sich in immunologischen und inflammatorischen Effekten der Bluttransfusion (z.B. Übersicht von Kormi & Seghatchian et al 2017).

Und natürlich kann solch eine Meta-Analyse nicht die Kausalität des Einflusses der präoperativen Transfusion zur postoperativ erhöhten Komplikationsrate begründen. Das müssten randomisierte Studien mit einer randomisierten Kontrollgruppe leisten. Warum also nicht die präoperative Transfusion zur Behandlung der Anämie versus der intravenösen Eisentherapie testen? Nun gibt es meiner Ansicht genügend Anlass, diese bis dahin ethisch fragliche kontrollierte Studie anzugehen.

 

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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