Präoperative Anämie: Höheres Thromboserisiko unter Epo oder EKs?
Choi E et al. Use of preoperative erythropoietin-stimulating agents is associated with decreased thrombotic adverse events compared to red blood cell transfusion in surgical patients with
Erythropoetin (Epo) kann Thrombosen verursachen, vor allem bei Krebspatienten und Nierenkranken, den 2 häufigsten Anwendungsbereichen. Der perioperative Einsatz zur Therapie der präoperativen Anämie ist bislang weniger verfolgt, obwohl eine Cochrane Analyse von 2020 einer gut bekannten deutschen Autorengruppe zeigte, dass der kombinierte perioperative Epo -Einsatz mit intravenösem oder oralem Eisen den Transfusionsbedarf effektiv senkte (RR 0.55, 0.38-0.88), sicher war und eine gute Alternative zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten (EK) darstellt (Kaufner et al. Erythropoietin plus iron versus control treatment including placebo or iron for preoperative anaemic adults undergoing non-cardiac surgery. Cochrane Database Syst Rev. 2020 Aug 13;8(8):CD012451). Allerdings mag die Aussage hinsichtlich thromboembolischer Ereignisse aufgrund der Heterogenität einer Meta-Analyse nicht spezifisch genug und ausreichend sicher zu sein.
Perioperative Transfusionstherapie dagegen scheint mit einer höheren Thromboembolierate vergesellschaftet zu sein. In mehreren Studien und verschiedenen Kollektiven konnte übereinstimmend die Assoziation der Bluttransfusion mit einem erhöhten perioperativen Thromboserisiko demonstriert werden (z.B. Sheth BK et al, J Am Acad Orthop Surg. 2022;30:e919–28, Goel R et al. JAMA Surg. 2018;153:826–33).
Der direkte Vergleich zwischen präoperativer EK-Transfusion und präoperativer EPO/Eisen-Therapie hinsichtlich des direkten Thromboserisikos stand noch aus. Da die dafür notwendige Fallzahl einer kontrollierten Studie (RCT) viel zu hoch wäre, sind retrospektive Datenbankanalysen der schnellste und aussagekräftigste Weg.
Genau das haben die Autoren der vorgelegten Arbeit in Vox Sang getan: Sie analysierten eine amerikanische große Gesundheitsdatenplattform mit über 210 Mio. Patienten, die es Forschern und Unternehmen ermöglicht, klinische Daten zu analysieren und Erkenntnisse aus realen Daten zu gewinnen (TriNetX).
So konnten verschieden Therapiemodalitäten Epo mit und ohne Eisen, verschiedene perioperative Kollektive (mit und ohne Herzchirurgie) sowie für verschiedene Einflussfaktoren korrigiert werden (Propensity Match Scoring hinsichtlich Alter , Ethnizität, Übergewicht, Hypertension, Diabetes, Rauchen und Anämieschweregrad). Die jeweilige Therapie sollte innerhalb von 3 Monaten vor dem Eingriff stattfinden und sich auf die Studienendpunkte Mortalität und Thromboembolierate auswirken.
Es fanden sich knapp 20 000 Patienten, die mit Epo und/oder Eisen auf die Operation vorbereitet wurden. Präoperativ "auftransfundiert" wurden mehr als 160 000 Patienten des Datensatzes.
Im Vergleich zu präoperativen Bluttransfusionen war der präoperative Einsatz von EPO ohne intravenösem Eisen in allen Kollektiven mit einer niedrigeren 30-Tage-Sterblichkeit (1.59% vs. 3.11%, RR = 0.51 [95% CI, 0.45–0.59]) und einer geringeren Thromboembolierate (VTE (1.67% vs. 2.94%, RR = 0.57 [0.50–0.65]) sowie weniger Lungenembolien (PE (0.66% vs.0.97%, RR = 0.67 [0.54–0.84]) vergesellschaftet. Ähnlich war es für die kombinierte peräop. Therapie mit EPO und iv-Eisen gegenüber der Transfusionstherapie: 30-Tage-Sterblichkeit (1.44% vs. 2.86%, RR = 0.50 [0.43–0.59]), VTE (1.97% vs. 3.06%, RR = 0.65 [0.56–0.74]), PE (0.57% vs. 0.97%, RR = 0.59 [0.45–0.76]). Der postoperative Hämoglobinspiegel war unter präop. EPO und Eisen höher als mitpräop. Ek-Transfusion (10.1 ± 1.5 vs. 9.4 ± 1.9 g/dL, p = 0.0009). Wurde Epo mit und ohne iv Eisen miteinander verglichen ergaben sich keine Unterschiede.
Natürlich kann die Kausalität von thromboembolischen Komplikationen und Bluttransfusion beziehungsweise der Epo- mit und ohne iv-Eisen- Therapie durch diese retrospektive Studie nicht bewiesen werden. Aber der Vergleich von ca. 20 000 gematchten Paaren von Patienten mit ähnlichem Risikoprofil hinsichtlich ihres Behandlungsergebnisses nach 2 unterschiedlichen Behandlungen und das für alle Kollektive ähnliche Ergebnis ist für mich doch wegweisend - bis anderslautende randomisierte Studien vorliegen. Also für ziemlich lange...
Für Sie gelesen von Th. Frietsch