Prophylaktische Thrombozytentransfusion vor ZVK-Anlage bei Thrombozytopenie

van Baarle FLF et al. Platelet Transfusion before CVC Placement in Patients with Thrombocytopenia. N Engl J Med 2023 May 25;388(21):1956-1965.

Die ZVK-Anlage bei Patienten mit niedrigen Thrombozytenzahlen ist immer eine kritische Sache. Seit Etablierung der ultraschallgesteuerten Punktionstechnik sind Zweifel an den in den Querschnittsleitlinien empfohlenen prophylaktischen Thrombozytentransfusion (Kap. 2.5.2.10) unter einer Thrombozytenzahl von 20 000/µl aufgekommen, da durch die sichere Darstellungsmodalität arterielle Fehlpunktionen nahezu sicher vermieden werden können. Im Leitlinientext von 2020 heißt es wörtlich: "Zentralvenenkatheter können auch ohne Thrombozytensubstitution bei Patienten ohne Blutungsneigung und Thrombozytenzahlen von mehr als 10 000/µl angelegt werden, insbesondere wenn die Katheteranlage unter Ultraschallkontrolle erfolgt." 

Jetzt hat eine randomisierte Studie den Wert der Thrombozytentransfusion vor ultragesteuerter ZVK-Anlage zwischen 10 000 /µl und 50 000 /µl getestet. Dabei wurde der ZVK durch einen "erfahrenen" und verblindeten Arzt mit mindestens 50 sono-gesteuerten Punktionen gelegt. Zielparameter war die anlagebedingte Blutung in 5 Ausprägungen von 0 keine Blutung, 1- leichtes Schwitzen, 2- Blutungsstillung durch verlängerte manuelle Kompression, 3- elektive Maßnahmen wie Röntgen, chirurgische Revision oder Bluttransfusion ohne Kreislaufinstabilität notwendig, 4- kreislaufwirksame Blutung und hämodynamische Instabilität.

Ausgewertet werden konnten n=373 thrombopenische Patienten (20 000 bis 38 000 /µl) im mittleren Alter von 58- 59J von der hämatologischen Normalstation oder einer Intensivstation. Die Hälfte aller Punktonsorte war die V.jug Interna, 37,8% die V. Subclavia, und um die 12% die Femoralvene.   

Die prophylaktische Transfusion eines Thrombozytenkonzentrats erbrachte eine um das 2,45 fache geringere Rate an Grad 2-4 Blutungen (4,8 % vs. 11,9%), bei schwereren Blutungen Grad 3- 4 um das 2,4 fache (von 2,1% auf 4,9%, RR 2.43; 95% CI, 0.75 to 7.93) sowie ein um das 3,3fache höhere Risiko für Thrombozytentransfusion in den folgenden 24h.

Aus der Subgruppenanalyse ist zu ersehen, dass vor allem die Tunneltechnik (RR1,26), die Subclaviapunktionen (RR 6,19) und die Femoralvenenpuktionen (RR 3,72) zum Unterschied führten und vor allem der Bereich Thombozytenzahl zwischen 20 000/µl und 30 000/µl (RR 7,53) betroffen war. Je tiefer die Thrombozytenzahlen waren, desto schwerwiegender und häufiger konnten Blutungen beobachtet werden.  

Die mit der Strategie verbundenen Kosten waren in der Gruppe ohne prophylaktische Thrombozytengabe höher, da der Transfusionsbedarf in den ersten 24h postoperativ höher war. 

Somit war die zurückhaltende Strategie in dieser kontrollierten Studie mit einem schlechteren Ergebnis vergesellschaftet und die prophylaktische Thrombozytentransfusion bei Thrombopenien unter 50 000/µl überlegen. Kritisch anzumerken ist wohl, dass von den Thrombozytenzahlen nicht immer auf die Gerinnungsfähigkeit geschlossen werden kann, in dieser Studie aber sehr wohl mit der Blutungsschwere und -inzidenz korrelierte. Weiterhin bestehen leichte methodische Einschränkungen durch die mit 50 Punktionen als nicht ausreichende Erfahrung der Ärzte, die einfache Verbindung der Therapeuten (nicht der verblindeten Punkteure), die leicht höhere (10,3% vs. 8,5%) Transfusionsbedürftigkeit der Patienten vor Randomisierung in der Gruppe ohne prophylaktische Transfusion (Hinweis auf eingeschränkte Thrombozytenfunktion?), der einheitlichen Dosis eines TKs ohne Einfluss der Thrombozytenzahl des Patienten anstatt mehrerer TKs bei niedrigeren Zahlen und die Messung des Inkrements.  

Insgesamt eine gute Studie mit Auswirkungen vermutlich auf europäische oder internationale Leitlinien, allerdings nur bedingt für uns relevant. Unsere Querschnittsleitlinien geben eine schwache Empfehlung, machen aber die Entscheidung von Fakten im individuellen Fall abhängig, favorisieren eher die intensive Nachbeobachtung und die rasche und freizügigere therapeutische Transfusion. Das ist auch die Schlussfolgerung der Autoren, und die Empfehlung auf Tunnelung und Subclaviazugänge zu verzichten, je ausgeprägter die Thrombopenie ausgeprägt ist.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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