Rekonvaleszentenplasma für Covid-19 doch nicht so gut wirksam?

Simonovich VA et al. A Randomized Trial of Convalescent Plasma in Covid-19 Severe Pneumonia. N Engl J Med . 2020 Nov 24. doi: 10.1056/NEJMoa2031304. Online ahead of print.

In der Behandlung schwerer und schwerster Verläufe setzen wir auf die Hoffnung von Antikörpern, die andere Patienten nach ihrer Genesung spendeten- das Rekonvaleszentenplasma (RKP). Bisherige Observationsstudien waren vielversprechend. Es scheint nun, dass leichtere Verläufe nicht so gut auf die RKP-Therapie ansprechen.

Eine im August 2020 in JAMA veröffentlichte kontrollierte Studie aus China (Li et al. Effect of Convalescent Plasma Therapy on Time to Clinical Improvement in Patients With Severe and Life-threatening COVID-19. JAMA 2020 Aug 4;324(5):460-470. doi: 10.1001/jama.2020.10044) konnte lediglich bei schweren, nicht aber bei schwersten lebensbedrohlichen Verläufen zur Verkürzung der Zeit bis zur klinischen Verbesserung (primäres Studienziel) feststellen und wurde abgebrochen. Eine weitere kontrollierte Studie aus Holland wurde ebenfalls gestoppt, da die behandelten Patienten Antikörper in ähnlicher Spiegelhöhe hatten wie die Spender des RKP (Gharbharan A, Jordans CCE, Geurts van KesselC, et al. Convalescent plasma for COVID-19: a randomized clinical trial. July 3, 2020 (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.07.01.20139857v1. opens in new tab). preprint.) EIne weitere Studie zur Effizienz des RKP, die "ConPlas-19", konnte noch nicht die notwendige Anzahl der Patienten einschließen (Avendano-Sola C, Ramos-Martinez A, Munez-Rubio E, et al. Convalescent plasma for COVID-19: a multicenter, randomized clinical trial. September 29, 2020 (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.08.26.20182444v3. opens in new tab). preprint)

Eine "lebende", also ständig upgedatete Cochrane Database Meta-Analyse (Piechotta V et al. Convalescent plasma or hyperimmune immunoglobulin for people with COVID-19: a living systematic review. Cochrane Database Syst Rev 2020 Jul 10;7(7):CD013600) aus dem Juli hatte zwar nur 1 kontrollierte Studie und ca. 20 Beobachtungsstudien mit ca. 100 RKP-therapierten Patienten zur Auswertung (Im Juli damals ca. 100 laufende Studien, davon die Hälfte mit einer Vergleichsgruppe), konnte aber nicht über einen gesicherten Effekt hinsichtlich der Sterblichkeit bis zur Entlassung ((risk ratio (RR) 0.89, 95% confidence interval (CI) 0.61 to 1.31; very low-certainty evidence), Zeitspanne bis zum Tod (RCT: hazard ratio (HR) 0.74, 95% CI 0.30 to 1.82; controlled NRSI: HR 0.46, 95% CI 0.22 to 0.96; very low-certainty evidence) oder auch klinischer Verbesserung nach entweder 7 Tagen (RCT: RR 0.98, 95% CI 0.30 to 3.19), 14 Tagen (RCT: RR 1.85, 95% CI 0.91 to 3.77; controlled NRSI: RR 1.08, 95% CI 0.91 to 1.29), oder 28 Tagen (RCT: RR 1.20, 95% CI 0.80 to 1.81; very low-certainty evidence) berichten. Allerdings waren die Daten sehr heterogen und die Anzahl der behandelten Patienten noch gering.

Aus Argentinien berichtete nun eine prospektive und randomisierte multizentrische Studie (RCT) "PlasmAr" über die Behandlung mit einer Einheit RKP im Vergleich zu Placebo (NaCl).

Das RKP wurde aus einer Apherese - Einzelspende (? "continuous flow and/or discontinuous cell separators") oder gepoolt von bis zu 5 Spendern gewonnen und musste einen minimalen AK-Titer von 1:400 (Studienprotokoll 1:1000) haben. Laut Studienprotokoll wurden Multipara-Spenderinnen zugelassen; sie mussten nur Anti-HLA negativ sein. Dem hinterlegten Studienprotokoll war zu entnehmen, dass das RKP oder Placebo (NaCl-Lösung) verblindet am Tag 0 in einer Dosis von 10-15ml/kg KG verabreicht wurde (unbekannte Infusionsgeschwindigkeit).

Primäres Studienziel war eines der von der WHO definierten 6 klinischen Behandlungsergebnisse ("Outcome") nach 28 Tagen: 1 - Versterben , 2 - invasive Beatmung, 3 - stationär unter Sauerstoffbedarf, 4 - stationär, aber ohne Sauerstoffbedarf , 5 - entlassen mit weiteren Residuen, 6 - entlassen ohne weitere Residuen. 

Zwischen Mai und August 2020 wurden 334 Patienten mit einem mittleren Alter von 62J (57-72J) und einer Pneumonie (mittlere SpO2 <93%, 90% hatten O2-Bedarf bei Einschluss) eingeschlossen und wie beabsichtigt 2:1 mit RKP oder Placebo therapiert. Alle erhielten begleitend antivirale und sonst übliche medikamentöse Behandlung (z.B. Steroide). Männlich waren 67,7% und knapp 65% hatten Vorerkrankungen.

Im Mittel wurden die Patienten 8 Tage (5-10) nach Symptombeginn aufgenommen. Die Patienten der Verumgruppe (n=215) erhielten durchschnittlich 500ml RK-Plasma (421-600ml). Sie wiesen zur Hälfte bereits einen eigenen spezifischen Sars-Cov2-AK IgG-Titer von 1:50 auf. Das RKP hatte einen IgG-Titer von 1:3200 (1:800 bis 1: 3200) und einen Titer an neutralisierenden AK von 1:300 (1:136 bis 1:511, allerdings nur bei der Hälfte aller RKP gemessen).

Bezüglich des primären Outcomes in 6 Stufen konnte am Tag 30 kein Unterschied zwischen der Placebo und der RKP-Gruppe gemessen werden (odds ratio, 0.83; 95% confidence interval [CI], 0.52 to 1.35; P=0.46). Die Zeitspanne bis zur Entlassung war in der RKP-Gruppe 13 Tage, in der Placebo-Gruppe 12 Tage (subhazard ratio, 0.99; 95% CI, 0.75 to 1.32). In der Subgruppen- Analyse hatte jüngere Patienten (< 65J) ein schlechteres Behandlungsergebnis (odds ratio 0.18; 95% CI, 0.06 to 0.54).

Auf die Intensivstation mussten in der RKP-Gruppe 53,9% aufgenommen und 60% invasiv beatmet werden, in der Placebogruppe nur 26,8% (Intensivaufnahme) und 22,9% (Beatmung). D-Dimere und Ferritinspiegel waren in den Gruppen vergleichbar, die IgG-Spiegel in der RKP Gruppe am Studientag 2 höher als die Vergleichsgruppe, aber an den Tagen 7 und 14 vergleichbar. 

Infusionsbezogene Nebenwirkungen waren verständlicher Weise in der RKP-Gruppe häufiger (odds ratio, 2.62; 95% CI, 0.57 to 12.04). Fünf Patienten erlitten eine nichthämolytische febrile Transfusionsreaktion. Ingesamt waren aber Nebenwirkungen in beiden Gruppen vergleichbar (odds ratio, 1.21; 95% CI, 0.74 to 1.95).

Es gibt viele Erklärungsmöglichkeiten für den fehlenden Effekt. Ich habe dem Studienprotokoll nicht klar entnehmen können, wie der neutralisierende AK-Gehalt und der IgG Gehalt der RKP Einheiten gemessen wurde. Vermerkt ist ein Poolen, unklar wie und von wievielten Spenden. Die wahrscheinlichste Möglichkeit aber ist, dass die RKP-Therapie für ein Kollektiv mit leichter bis milder Covid-Pneumonie keinen oder einen schwächeren Effekt hat als in der Poweranalyse der Studie vorgesehen: Ein Unterschied von 1,8 in der OR erscheint sehr hoch und damit nur schwer zu knacken. Die Infusionsgeschwindigkeit der eigentlich großen Dosis war nicht angegeben, Volumenüberladungen haben eventuell zum unerwarteten Ergebnis beigetragen. 

Free Access 

Pubmed

Weitere Literatur zu den Nebenwirkungen von RKP:

Nguyen FT. et al. Transfusion reactions associated with COVID‐19 convalescent plasma therapy for SARS‐CoV‐2. Transfusion 30.10.2020 https://doi.org/10.1111/trf.16177

 

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