Restriktive Transfusion von Erythrozytenkonzentraten für Frühgeborene

Deschmann E, Dame C, Sola-Visner MC, et al. Clinical Practice Guideline for Red Blood Cell Transfusion Thresholds in Very Preterm Neonates. JAMA Netw Open. 2024;7(6):e2417431. Published 2024 Jun 3. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.17431

Frühgeborene vor der 30 Gestationswoche müssen sehr häufig transfundiert werden, um das Versterben oder neurologische Entwicklungsschäden zu verhindern. Aber Erythrozytenkonzentrate (EK) sind auch in diesem Kollektiv noch häufiger von unerwünschten Reaktionen begleitet als beim Erwachsenen, die vermutlich ebenfalls eine höhere Dunkelziffer unberücksichtigt (siehe auch Keir A et al. Transfusion 2016 Nov;56(11):2773-2780. doi: 10.1111/trf.13785. Epub 2016 Sep 7.). Für Frühgeborene gab es bislang ungenügende Studiendaten, um eine Empfehlung abzugeben. Für Kinder existieren die Empfehlungen als Bestandteil der Erwachsenen-Leitlinie der AABB für Erwachsene (CarsonJL,StanworthSJ,GuyattG,etal.Redbloodcelltransfusion:2023AABBInternationalGuidelines. JAMA. 2023;330(19):1892-1902. doi:10.1001/jama.2023.12914).

Deshalb wurde eine systematische Literaturrecherche aus 6 kontrollierten Studien mit 3483 Frühgeborenen durchgeführt (1759 weiblich, [51.3%]; medianes Alter [SD], 25.9-29.8 [1.5-3.0] Wochen). Eingeschlossen wurden u.a. die TOP-Studie (Transfusion of Prematures) und die ETTNO-Studie (Effects of Transfusion Thresholds on Neurocognitive Outcomes of Extremely Low-Birth-Weight Infants). Frühgeborene unter einem Gestationsalter von 30 Wochen wurden ausgewertet.

Über die PICO Methode wurden relevante Ergebnisziele vereinbart: Primäres Studienziel war das Überleben zum längsten Zeitpunkt, das Überleben nach 2 Jahren, die Rate an Entwicklungsverzögerung und weiteren typischen Spätfolgen wie bronchopulmonaler Dysplasie, Hirnblutungen, nekrotisierende Enterocolitis, periventrikulärer Leukomalazie, Frühgeborenen-Retinopathie.

Die restriktiven Trigger bewegten sich im Bereich der Hämoglobinspiegel 7-10 gl/dL, die liberalen von 10-15 g/dL.

Die Behandlungsergebnisse des Überlebens (ÜL) ingesamt (Kurz- und Langzeit) waren nicht unterschiedlich (insgesamt ÜL Risk difference, RD (95% CI) –0.1 (–2.3 to 2.4), Kurzzeit-ÜL RD 0.7 (–2.0 to 3.8), Langzeit-ÜL RD –0.1 (–2.5 to 2.5). Das Verbund-Outcome Tod oder neurologische Entwicklungsverzögerung war unter liberaler Strategie häufiger (RD 0.5 (–3.3 to 4.2)). Bei den Komplikationen bronchopulmonale Dysplasie (RD –1.9 (–4.8 to 1.4) und Hirnblutungen RD –1.9 (–4.2 to 1.5), sowie der Neugeborenen-Retinopathie (RD–2.1 (–4.4 to 0.5)) ebenso wie die periventrikuläre Leukomalazie (RD –0.9 (–3.1 to 4.3)) gab es deutliche Vorteile für die restriktive Strategie. Nekrotisierende Enterokolitis (RD –0.1 (–2.3 to 2.3)) war nicht signifikant unterschiedlich.

Damit kam das Komitee in Abhängigkeit zum Geburtsalter der Frühgeborenen zu folgenden Triggerempfehlungen, je nach dem ob Sauerstoff, nicht invasive oder invasive Beatmung zusätzlich notwendig ist (siehe Tabelle). (Wie diese aus den Daten ermittelt wurden, ist unklar).

Damit gibt es zum ersten Mal eine ausreichende Evidenz für die restriktiven Transfusionstrigger auch im Frühgeborenenalter.

Pubmed

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