Das Mortalitätsrisiko bei schwerer Anämie (< 8g/dl Hb)

Guinn NR et al. Severe anemia associated with increased risk of death and myocardial ischemia in patients declining blood transfusion. Transfusion 2018, ePub ahead of Print, doi:10.1111/trf.14768

Ist der Transfusionstrigger von einem Hämoglobinspiegel um die 8g/dl willkürlich gewählt und deshalb vielleicht noch zu hoch? Die Forschergruppe um RB Weiskopf hatte sich bereits früher in wegweisenden Experimenten zur Auswirkung der Anämie und dem Effekt von Bluttransfusionen verdient gemacht. Jetzt hat sie retrospektiv die Mortalität von Zeugen Jehovah untersucht, die keine Bluttransfusionen bekamen. Sie errechneten dafür die 30 Tage Sterblichkeit nach dem tiefsten gemessenen Hämoglobinspiegel. 

Sie fanden innerhalb von 11 Jahren 2252 an der Duke Universitätsklinik aufgenommene chirurgische und internistische Patienten, die eine Bluttransfusion ablehnten. Der tiefste gemessene Hämoglobinspiegel (Hb) wurde erfasst und mit der Mortalität innerhalb von 30 Tagen oder dem Auftreten eines troponinpositiven Myokardinfarkts/-ischämie im selben Zeitraum korreliert.

Unterhalb einem Hb von 10g/dl betrug die 30-Tage Mortalität 2,1%. Bei einem Hb von 8 bis 10g/dl stieg sie auf 6,0% und unterhalb von 8 g/dl auf 19,8%. Letztere Patienten (n=263) hatten im Schnitt eine schwere Anämie mit einem Hb von 6,8g/dl durch gastrointestinalen Blutungen (durchschnittlich mit einem Hb von 5,7(4,9-6,8)g/dl), durch Malignom oder hämatolog. Erkrankungen (Hb von 6,5(5,6-7,3)g/dl), durch perioperativen Blutverlust (Hb von 7,15(6,0-7,7)g/dl), chronische Nierenerkrankung und Dialyse (Hb von 7,2,7(6,3-7,6)g/dl. Der Zusammenhang von Mortalität und Anämie unterhalb von 8g/dl war nicht linear sondern stieg unterhalb von 5,0 g/dl deutlich an: 7-8g/dl: 9,1%, 6-7g/dl: 18%, 5-6g/dl: 16,5%, 4-5g/dl: 27%, 3-4g/dl: 33,3% und <3g/dl 28%. Das Mortalitätsrisiko stieg  um 47% pro 1g/dl geringeren Hb (OR 1,47; 95%CI 1,2-1,8, p=0,0002).

 Akute Anämie hatte im Vergleich zu chronischer Anämie ein deutlich erhöhtes Sterberisikos (OR 1,89;CI 1,41-2,55, p<0,0001), die Risikoerhöhung war für die chronische Anämie nicht signifikant (p=0,16). Chirurgische Anämie war im Vergleich zur medizinisch bedingten Anämie mit einer geringeren Mortalität assoziiert (OR 0,42; CI 0,2-0,89, p=0,02). Speziell in dieser Subgruppe war das Risiko zu Versterben um das 1,59-fache pro g/dl Hb erhöht (OR 1,59; 1,05-2,42 p=0,03, adj OR (Geschlecht und Alter) 1,64; 1,08-2,48, p=0,02)). Das Risiko für einen Myokardinfarkt/-ischämie war nur in der multivariaten Analyse für Patienten mit einer Anamnese von KHK oder Diabetes mellitus signifikant erhöht (OR 1,42; 1,07-1,9, p=0,016)     

Ob eine Kompensationsfähigkeit bei chronischer Anämie also einen Unterschied macht oder die Studie dafür unterpowert war, lässt sich nicht beantworten. Wir können aber nun sagen, dass erstens die Therapie mit Erythrozytenkonzentraten sinnvoll ist  und zweitens in einem gemischten Kollektiv die kritische Grenze eines Hb von 7-8g/dl gut gewählt ist und nicht unbedingt weiter abgesenkt werden muss. 

Pubmed 

 

Für Sie gelesen von T. Frietsch

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