Sichere Anwendung von Blutprodukten

Crispin P et al. A review of electronic medical records and safe transfusion practice for guideline development. Vox Sang 2022; 28 January 2022 https://doi.org/10.1111/vox.13254

In Vox Sang ist diesen Monat ein Artikel erschienen, der nochmalig betont, welches Sicherheitspotenzial die elektronische Begleitung des Anwendungsprozesses der Blutprodukte hätte. Ein gutes Beispiel ist der Prozess der eindeutigen Patientenidentifikation, der sowohl für die Blutprobenentnahme zur Blutgruppenbestimmung wie zur Messung der Hämoglobinkonzentration und des Bedside-Tests als auch zur Verabreichung des Blutprodukts notwendig ist. Auch für uns in Deutschland ist dies zu beachten.

Insbesondere beschreibt der Artikel die Probleme, die die Umsetzung und die Beachtung der Versorgung mit Blut in der elektronischen Akte der heutigen Patienten macht - dieser Vorgang ist bislang kaum oder gar nicht in die existierenden (meist amerikanischen Software-) Systeme integriert. Das hat die australische und neuseeländische Gesellschaft für Transfusionsmedizin 2019 zu einer dringenden Aufforderung veranlasst. Allerdings gestaltet sich wohl die Anpassung der Software an die Prozesse und Bedingungen der jeweiligen Einrichtung als sehr aufwendig.

In der Folge haben die Autoren des "Clinical Practice Improvement Committee of Australia and New Zealand Society of Blood Transfusion, Sydney, NSW, Australia" eine Liste zusammengestellt, die beachtet werden sollte, wenn die in der Einrichtung existierende elektronische Akte angepasst werden soll.

A - Decision support-Indikationsstellung, Produkt- und Dosisprüfung und Abgleich mit den geltenden Richtlinien bei Anforderung:

Mit diesem gut erforschten Tool werden die transfundierenden Ärzte nochmalig von der Software an die Besonderheiten der Verordnung von Blutprodukten erinnert. Das hatte in den Studien folgende Effekte:

  1. Die Dokumentation der Indikationsstellung in der akuten Anforderungssituation kann erheblich verbessert werden
  2. An die fehlende Diagnostik zum Volumen- und Gerinnungsstatus des Empfängers kann erinnert werden
  3. Die standardisierte paarweise Blutkonservenbestellung wird korrigiert, Über- und Unterdosierungen werden vermieden
  4. Die Besonderheiten bei zum Beispiel bestrahlten Konserven werden bei Anforderung geklärt

Allerdings ist es ratsam, dass die Anforderungssoftware mit den übrigen Daten des Patienten wie Laborwerten oder Diagnose etc. verknüpft ist und zum Beispiel die Notwendigkeit der Bestrahlung nach KM-Transplantation hinterlegt ist.

B - Patientenidentifikation bei Blutprobenentnahme, im Labor und im Anwendungsprozess

  1. Plausibilitätsprüfungen zur Identität von Blutröhrchen können automatisch von der Software durchgeführt werden.
  2. Scannerbasierter Abgleich der Probenbehältnisse und des Patientenidentifikationstools
  3. Absicherung der Anwendung der Blutkonserve durch den elektronisch begleitenden Abgleich von Patienten-ID, Bedside-Test, Konservennummer

C - Aufmerksamkeit und Warnungen

  1. Hinweise zu Unverträglichkeiten, Allergien, Medikamenteninteraktionen können durch die Software generiert werden
  2. Warnhinweise zu unüblichen Dosierungen und außergewöhnlichen Kombinationen, Deltachecks

D - Lagerung und Blutdepot-Vorratshaltung, Transport, Laborstatus

  1. Depotbestand und Reservierungsstatus von einzelnen Konserven, Zuordnung zur Patientenversorgung optimiert den Bestand, die Bedarfsplanung und minimiert Versorgungsengpässe und Verfall
  2. Temperaturkontrolle und Trackingtools geben Auskunft über den Bearbeitungsstatus sowie die Entwicklung der Prozesskette zur Verbesserung der Bearbeitungsfolge und Einsicht für den Anfordernden

 

Der Artikel hat allerdings auch die Notwendigkeit von Maßnahmen beim Ausfall der Elektronik, Risiken beim Fehlgebrauch und bei Fehlprogrammierungen betont. Es benötigt wohl einen eigenen Lernprozess, damit diese Systeme die Sicherheit liefern, die möglich ist. Oftmals müssen die Systeme auch mit intelligenten weiteren, auch systemfremden Komponenten kommunizieren. Die Vielfalt der Anbieter und Insellösungen für funktionelle Teilbereiche erschwert die notwendige Verschaltung.

Deshalb sind die Empfehlung der Kommission zur Implementierung des intelligenten Krankenhaus-Patientendaten-Management-Systems besonders wichtig. Alle, besonders Kliniker und Anwender, sollen in den Implementierungsprozess einbezogen werden! Die Besonderheiten der Klinik müssen unbedingt berücksichtigt werden und eine Vielzahl von Meldungen soll vermieden werden. Die Einlernphase muss Vertrauen generieren und die Arbeitsökonomie der Nutzer verbessern. Der Support der IT-Abteilung und die Vorschriften zur Benutzung des Systems sind gerade in der Implementierungsphase entscheidend.

Insgesamt handelt es sich um wichtige und kritische Empfehlungen, damit der Anwendungsbereich von Blutprodukten erheblich sicherer und technisch verbessert werden kann. Dass es in Deutschland nicht nur ähnliche Probleme gibt, sondern trotz Krankenhausdigitalisierung und Finanzierungsunterstützung noch erheblichen Nachholbedarf gibt, demonstriert ein aktueller Artikel im Deutschen Ärzteblatt. Zu häufig fehlen Arbeitserleichtungen und Nutzervorteile der Anwender, so dass die Implementierung gelingen könnte, selbst wenn die Schnittstellen vorhanden sind.

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Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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