Therapie der Eisenmangelanämie nicht effektiv?

van Remoortel H et al. Effectiveness of Iron Supplementation +/- Erythropoiesis-Stimulating Agents on Red Blood Cell Utilization in Patients With Preoperative Anaemia Undergoing Elective Surgery. Transfus Med Rev 2021 Apr;35(2):103-124.

Vom belgischen Roten Kreuz und einem belgischen "Zentrum für evidenzbasierten Medizin" kommt eine Meta-Analyse, die Bezug nimmt auf die umstrittene "internationale Consensuskonferenz 2018 in Frankfurt" (Wir berichteten). Der Zweitautor der  von uns kritisierten JAMA-Publikation aus 2019 hat nun ein weiteren Artikel publiziert, der das Bemühen um die Etablierung des Patient Blood Management (PBM) in Misskredit bringt.

Nach der PREVENTT-Studie (Unsere Rezension) wäre das der zweite entmutigende Hinweis, dass die präoperative Beseitigung der Anämie vergebens ist und dem Patienten nicht im Sinne einer Risikovermeidung geholfen werden könne. Die Schlussfolgerung aus dieser möglicherweise statistisch nicht ausreichend "gepowerten" RCT waren, dass eine Eisentherapie ohne den vorherigen diagnostischen Nachweis einer Eisenmangelanämie nicht zu empfehlen ist. Und dass die Effekte einer Eisentherapie inklusive der Wiederaufnahmerate und den späten Effekten auf die Erythropoese bewertet werden muss. 

Dass vor der Therapie die Diagnose steht, ist klar (siehe AWMF LL Präoperative Anämie). Es wäre aber schade, wenn wir das Risiko der Erkrankung im perioperativen Verlauf eindeutig erkannt haben, aber bislang keine Evidenz für eine Therapie hätten. Schauen wir uns die präsentierten Daten genau an.

Der Abstrakt und die Einleitung beginnen mit dem Hinweis auf das PBM und dessen evidenzbasierten Hintergrund. Die Einbindung der folgenden Meta-Analyse mit dem Ziel, die beste Evidenz für eine Therapie der präoperativen Anämie darzustellen, hatte bereits auf der besagten Konferenz 2018 keine hinreichende Belege nach strenger Methodik (PICO, GRADE) mit Bewertung für eine Therapie ergeben. 

Der folgende Versuch, die Applikationsformen und Kombinationen mit Erythropoetin (Epo) aus den großteils 29 RCT+ 2 Observationen zu vergleichen und zu bewerten ergibt, dass 

  • IV -Eisen-Monotherapie kann die Transfusionsrate (Anzahl der zu transzendierenden Patienten) nicht verringern

  • Eisen-Monotherapie kann den Transfusionsbedarf (Anzahl der benötigten Einheiten Erythrozytenkonzentrate) nicht reduzieren

  • Es ist unklar, ob Eisen- Monotherapie überhaupt einen Einfluss auf die Transfusionsbedürftigkeit hat

  • Die Kombination aus oralen Eisenpräparaten plus Epo kann eventuell den Transfusionsbedarf und die -rate senken

  • Die Kombination aus intravenösen Eisenpräparaten plus Epo kann eventuell die Transfusionsrate senken

Kritisch muss angemerkt werden, dass bereits die erste Auswertung der 11 RCTs mit präoperativer iv-Eisengabe bei 4 Studien keine vorherige Eisenmangeldiagnostik erfolgt war, keine einheitlichen Therapieschemata angewandt wurden (5 Studien  benutzten nur eine einmalige präoperative Verabreichung), die Anämiedefinitionen unterschiedlich und die Transfusionstrigger uneinheitlich sowie die Begleittherapie (MAT, EPO, etc.) erheblich variierte. Eine Subgruppenanalyse, die diese Inhomogenitäten hätte ändern können, wurde von den Autoren nicht durchgeführt. Weiter 11 RCTs sind noch nicht abgeschlossen und die Ergebnisse noch ausstehend. 

Das Autorenteam hat auch in Aussicht gestellt, die Berechnungen der Kosteneffizienz als Grundlage für gesundheitspolitische Empfehlungen nachzureichen. 

Unsere Bewertung dieser Meta-Analyse ist mit wenigen Worten- Voreilig, uneinheitlich und vermutlich zielgerichtet gegen die Anämietherapie, da mit der gleichen Stoßrichtung wie die PBM-Konferenz 2018. Dem kritischen Leser legen wir nahe, weiterhin aufmerksam die Erforschung der präoperative Anämietherapie zu verfolgen, wie empfohlen die Diagnostik einer möglichen Therapie vorangehen zu lassen. 

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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