Thromboseprohylaxe auf ICU bei Covid-19

Atallah B et al. The impact of protocol-based high-intensity pharmacological thromboprophylaxis on thrombotic events in critically ill COVID-19 patients. Anaesthesia. 2020 Nov 5 : 10.1111/anae.15300. doi: 10.1111/anae.15300

Thrombotische Komplikationen der Covid-19-Erkrankung sind bei 20-69% aller Intensivpatienten berichtet. Dabei ist die Art und Intensität der Antikoagulation als Routine-low dose-Prophylaxe, einer intensivierten Prophylaxe oder als therapeutische Antikoagulation stark variierend. Es ist nicht geklärt, welcher Patient mit welcher Therapie-Intensität einen zuverlässigen Schutz ohne ein erhöhtes Blutungsrisiko hat.

Mit dieser Fragestellung untersuchte eine Autorengruppe aus Abu Dhabi in einer retrospektiven monozentrischen Kohortenstudie die Anzahl der arteriellen und venösen thromboembolischen Komplikationen bei Intensivpatienten mit Covid-19. Nur die Hälfte der Patienten hatte allerdings eine bildgebende Diagnosesicherung erhalten und katheterassoziierte Thrombosen wurden ausgeschlossen.

Im Untersuchungszeitraum von 12 Wochen von März bis Ende April wurden n=188 Patienten erfasst. Davon hatten n=182 eine Thromboseprophylaxe erhalten, 75 (40%) eine intensivierte Thromboprophylaxe (2x 40mg Enoxiparin) und 24 (12.8%) als therapeutische Antikoagulation (i.v. Heparin mit Ziel aPTT 60-85s) oder Enoxiparin 1mg/kg/die. Bei hohen D-Dimeren oder klaren klinischen Hinweisen wurde eine Ultraschall-basierte Bildgebung zur Diagnosesicherung veranlasst.

Thrombosen traten bei n=23 (11.2%) Patienten auf, was einer Inzidenz von 12.2% (95%CI 7.9–17.8) entspricht. Darunter waren n=12 tiefe Beinvenenthrombosen (TBVT), 9 Lungenembolien (LE) und 2 periphere arterielle Thrombosen (AT).Die Thrombosen traten innerhalb von 6 (0-24) Tagen nach Intensivstationsaufnahme auf. Patienten , die mit Muskelrelaxanzien behandelt wurden, hatten eine höhere Inzidenz an Thrombosen (52.4% vs. 30.5%, p = 0.045). Patienten mit thrombotischen Ereignissen hatten einen mehr als doppelt so langen Krankenhausaufenthalt (20 vs. 9 Tage, p<0,01).

Die multivariable logistische Regressionsanalyse ergab, dass lediglich die D-Dimere (OR 2.80, p = 0.002) und das intensivierte Thromboprophylaxe-Regime (OR 0.20, p = 0.01) unabhängige Assoziationsfaktoren für thrombotische Ereignisse waren. Hohe D-Dimer-Resultate hatten eine schlechte prognostische Aussagekraft.

Blutungsereignisse traten bei 31 Patienten (16.5%) auf, darunter 13 mit schweren Blutungen. Die Zeit von der ICU-Aufnahme bis zum Auftreten von Blutungen war im Mittel 12 Tage (Quartilen 3-21 T). Schwere Blutungen traten gehäuft in der Gruppe der therapeutischen Antikoagulation auf (5 von 24 (21%)) vs. Prophylaxe (8 von 164 (5%), p = 0.014). In der Gruppe der intensivierten Prophylaxe traten Blutungen lediglich bei 2 von 75 (2.7%) Patienten auf. Schwere Blutungen waren mit einer erhöhten Rate an ECMO und an Dialyse verbunden. Die Mortalität der Patienten mit schweren Blutungen war signifikant höher (69% vs. 17%, p < 0.001).

Die Autoren interpretieren ihre Studie dahingehend, dass eine intensivierte Thomboseprophylaxe zur Senkung der Thromboserate ohne die Gefährdung von Blutungen führt. Hohe D-Dimere (> 3.93 µg/ml) eignen sich nicht zur Therapiesteuerung oder zur alleinigen Diagnostik von Thrombosen, während niedrige Werte (<1.57 µg/ml ) mit hoher Sicherheit die Existenz von Thrombosen ausschließt.

 

In der Beurteilung ist wesentlich, dass die intensivierte Thromboseprophylaxe von der therapeutischen Antikoagulation mit einem Algorithmus abgegrenzt wurde. Unter diesem Vorgehen war die intensivierte Prophylaxe eine effektive und sichere Methode.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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