Wirkt ein hoher Hämoglobingehalt blutstillend?

Die Auswirkungen einer liberalen Transfusionstragie auf die Blutstillung

Blutungen und Nachblutungen erhöhen zweifelsfrei die Mortalität von kritisch Kranken, Anämie natürlich auch. Gibt es einen zusammenhang?

Es gibt nicht nur den klinischen Eindruck, sondern auch wissenschaftliche in-Vitro-Studien, die den Eindruck erwecken, dass eine Anämie den Blutverlust erhöht, weil die Blutstillung erschwert ist. Aber ist das auch so klinisch relevant, dass eine Erhöhung des Hämoglobingehalts in dieser Situation hilfreich ist, ohne dass die Thrombosegefahr steigt?

Um das zu klären, hat eine Gruppe, die einige Meta-Analysen veröffentlicht hat, die Daten von 19 Studien zur liberalen oder restriktiven Transfusionstrategie mit nahezu 10 000 Teilnehmern (im folgenden sind die gerundeten Teilnehmerzahlen zu den Kollektiven angegeben) aus kontrollierten Studien analysiert. Die Studien untersuchten Kollektive mit gastrointestinalen Blutungen (n=1800 Teilnehmern), Orthopädie mit oder ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung (n=2400), Herzchirurgie Erwachsene (n= 2050) und Kinder (n= 135), Intensivpatienten Erwachsene mit und ohne septischem Schock (n= 2000) und Kinder (n=640), Gastrointestinale Blutungen (n= 2800), Trauma-Neurochirurgie (n=200), Malignomchirurgie (n=200) und Chemotherapie für akute Leukämie (n=60) und akutes Koronarsyndrom (n=60).

Der restriktive Transfusionstrigger (Hämoglobingehalt von 7,0-8,0 g/dl (min-max)) wurde mit einem Liberalen (8,5-12,0 g/dl min-max) verglichen.

Als Resultat war durch eine liberale Transfusionstrategie KEIN vermindertes Risiko für das Auftreten und das Ausmaß der Blutung festzustellen  (RR 0.91, 95 % Konfidenzintervall [CI] 0.74 - 1.12). Das Risiko für eine lebensbedrohende Blutung war mit einer restriktiven Strategie sogar niedriger (RR 0.75, 95 % CI 0.57 to 0.99). Die Wahrscheinlichkeit für thrombotische Ereignisse war in beiden Gruppen gleich groß (RR 0.83, 95 % CI 0.61 to 1.13).

Für einzelne Untergruppen sind die Ergebnisse in der lesenswerten Orginalpublikation als Forstplot dargestellt. Als Auszug: Das generelle Blutungsrisiko für die Subgruppen der Patienten mit

  • einer gastrointestinalen Blutung war durch die restriktiven Strategie erniedrigt (RR 0.64, 95%CI 0.48-0.86, p=0.003).
  • intensivpflichtigen Erkrankungen nicht unterschiedlich (RR 0.99, 95%CI 0.73-1.35, p=0.97)
  • hämatologischen Erkrankungen nicht unterschiedlich (RR 1.07, 95% CI 0.79-1.45, p=0.67)
  • chirurgischen Eingriffen nicht unterschiedlich (RR 1.13, 95%CI 0.46-2.73, p=0.79)

Die Autoren schlussfolgern, dass eine Volumenüberladung und Übertransfusion besonders im Kollektiv der oberen gastrointestinalen Blutung das Blutungsrisiko erhöht. Eine Begründung für eine liberlere Transfusionstrategie ist also auch nicht in einer Blutungssituation und den untersuchten Kollektiven gegeben- obwohl in vitro Mechanismen das nahelegen können.

Pubmed

 

Rezensiert von T. Frietsch

Zurück