Transfusion in der Palliativmedizin

Chin-Yee N et al. Red blood cell transfusion and associated outcomes in patients referred for palliative care: A retrospective cohort study. Transfusion. 2021 Jun 19. doi: 10.1111/trf.16560.

Leider gibt es dazu bislang nur wenige Daten und Studien - die Situation, die jeder Palliativmediziner kennt: Der Patient wird immer schwächer und hat nur noch wenig Kraft und Lebensqualität. Würde hier nicht eine Erythrozyten-Transfusion für eine gewisse Zeit Gutes bewirken oder schadet es gar noch zusätzlich? Alle bisherigen Analysen scheiterten an der Komplexität der Situation.

Um diese vielfältigen Entscheidungsfaktoren zu beleuchten, führten kanadische Autoren eine weitere retrospektive Kohortenanalyse in Ottawa durch und untersuchten alle konsekutiven Palliativpatienten über 4 Jahre.

Von den insgesamt knapp 7000 aufgenommenen stationären Palliativpatienten erhielten 12,7% (n=885) eine Bluttransfusion, davon 42% erstmalig in ihrem Leben.

Als Begleitfaktoren (Kovariaten) für eine Transfusion wurden folgendes identifiziert: Jüngeres Alter (p<0,001), höheres Einkommen (p<0,01), ein solider Tumor oder hämatologisches Malignom als führende Diagnose vs. Patienten ohne Krebsdiagnose (odds ratio [OR]=2.97, 95% confidence interval [CI] 2.20-4.01 vs. OR=1.37, 95% CI 1.10-1.71), Schweregrad der Anämie (Hb 8 vs. 11 g/dl) (p<0,0001) und die bereits zuvor bestehende Transfusionspflichtigkeit (OR=1.89, 95% CI 1.57-2.26). Waren die Patienten wenig geeignet für die Palliativtherapie aufgrund ihres Zustandes und war eine negative Wiederbelebungsverfügung/-anordnung existent, war die Wahrscheinlichkeit transfundiert zu werden geringer.

Von insgesamt mehr als 4000 Transfusionsepisoden ereignete sich ein Fünftel in der ersten Woche bei knapp der Hälfte aller transfundierten Patienten und einem Hämoglobinspiegel von im Mittel von 7,5 g/dl (Quartalen 6,9-8,0 g/dl). Bei 4,2% aller transfundierten Palliativpatienten traten transfusionsassoziierte Reaktionen auf.

Die mittlere Überlebenszeit aller Palliativpatienten betrug 19 Tage (IQR 5-75), für transfundierte Palliativpatienten 83 Tage, für nichttransfundierte Patienten nur 15 Tage (was sich weitgehend aus den o.a. Begleitfaktoren erklären lasst). Bei Patienten mit einer Krebsdiagnose war dieses Verhältnis 'Transfundiert - Nicht transfundiert' nicht so ausgeprägt (76 Tage vs. 25 Tage) wie bei Patienten ohne Malignom (161 vs. 8 Tage).

Von den Palliativpatienten, die eine Transfusion bekamen, hatten die Patienten mit einem soliden Tumor die geringste mittlere Überlebenszeit (51 Tage), versus hämatologischem Malignom (58 Tage) oder solchen ohne Malignomdiagnose (86 Tage) (p<0.004).

Insgesamt konnten die Autoren auf die ungünstigen Folgen der Transfusion hinweisen, besonders für diese mit soliden Tumoren, im Vergleich zu Patienten mit anderen Grunddiagnosen. Auch wenn es natürlich in einer retrospektiven Kohortenstudie an einer Kontrollgruppe fehlt, die hätte zeigen können, wie das Outcome ganz ohne Transfusion ausgesehen hätte.

Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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