Transfusionsbedarf und Versorgungslogistik bei Covid-19

Barriteau CM et al Blood Transfusion Utilization in Hospitalized COVID-19 Patients. Transfusion 2020 Jun 24. doi: 10.1111/trf.15947. Online ahead of print.

Der Transfusionsbedarf von Covid-19 Patienten...

...wurde retrospektiv in den ersten 4 Wochen der Pandemie in Chicago, USA mit dem nicht-infizierter stationärer Patienten verglichen. Von insgesamt über 300 Patienten mussten nur knapp über 13% transfundiert werden. Dafür wurden etwas mehr als 11% aller Erythrozytenkonserven (EK), 1,6% Thrombozytenkonzentrate (TK), 1% Plasma (FFP), 1% Kryopräzipitat(Kryo). COVID-19 Stationen hatten weniger Transfusionsbedarf als andere Stationen (0.03 v.s 0.08 EK-Einheiten/Patient-Tag, PLTs (0.003 vs. 0.033 E) und FFP (0.002 vs. 0.018; alle p < 0.0001). Lediglich der Verbrauch am Gerinnungsprodukt Kryo war vergleichbar (0.008 vs 0.009, p = 0.6).

Ob man die kurze Periode am Anfang des Ausbruchs der Pandemie in USA tatsächlich in dieser Art dafür heranziehen kann, um den Transfusionsbedarf und den Einfluss der Pandemie-betroffenen Patienten  auf den Blutprodukteverbrauch und die Versorgung des Landes abzuschätzen, bleibt dahingestellt und zu bezweifeln. 

Einflüsse wie eine besonders restriktive Interventionsfreudigkeit in Abwesenheit von ausreichenden Kenntnissen über die Covid-19-Erkrankung und Berührungsängste sind ebenso denkbar wie ein proaktives Haushalten in Zeiten des Spendermangels. Eine Indikationstabelle wurde nicht publiziert oder von den Reviewern angefordert. Aus der bereits berichteten gehäuften Inzidenz von DIC und der theoretischen Möglichkeit von Blutungskomplikationen der iatrogen intensivierten Antikoagulation sowie dem bekannt wesentlich erhöhten Verbrauch unter ECMO müsste eigentlich ein leichter Trend zum vermehrten Bedarf an Blut- und Gerinnungsprodukten resultieren.

Für die Gültigkeit der Annahme, dass Covid-19 Patienten nicht mehr Blutprodukte verbrauchen als vergleichbar Kranke, sprechen die überwiegend milde Anämie bei Covid-19 Erkrankten und entsprechend lautende Berichte über einen niedrigen Transfusionsbedarf bei anderen Corona-Epidemien wie SARS und MERS. 

Obwohl es sich um eine Pilotstudie handelt, bin ich erstaunt, dass eine so renommierte Zeitschrift wie Transfusion einen solchen Artikel veröffentlicht, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Fortführung der Studie nicht bestätigt.  Vermutlich spielten emotionale Faktoren und die Sorge um die Sicherung der Versorgung wie in einigen Presseberichten (der Presse BBCLifeScience , WHYY, AA oder der FDA zu Beginn der Pandemie) eine wesentliche Rolle. Die Empfehlungen der WHO für die Vorbereitung und Sicherstellung der Blutversorgung finden sich aktuell auf der Seite der WHO (Link). Dort sind auch Empfehlungen zur Spenderselektion und Herstellung von Rekonvaleszentenplasma zu finden.

Aktualisierung: Ein vernünftiger Überblick und eine lesenswerte Aktualisierung des Themas findet sich am Anfang Juli in Lancet als internationales europäisches Gemeinschaftsprojekt 

Stanworth SJ et al. Effects of the COVID-19 pandemic on supply and use of blood for transfusion. Lancet Hematol 2020, Published Online, July 3, 2020 https://doi.org/10.1016/ S2352-3026(20)30186-1

Pubmed (Transfusion)

Pubmed (Lancet)

Für Sie gelesen von Th. Frietsch 

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