Transfusionsrate in der Pandemie geringer!

Marin-Mori K et al. Blood transfusion activity in a general hospital during the COVID-19 pandemic. Vox Sang 2020 Nov 2. doi: 10.1111/vox.13024. Online ahead of print.

Es wäre eine interessante Beobachtung und würde vermutlich die Sorge vor Engpässen in der Blutversorgung etwas verringern:

Die Statistik eines spanischen Covid-19 Zentrums in Madrid (323 Betten, mittleres Versorgungsniveau mit konservativer 8-Betten-Intensivstation ohne ECMO, hauptsächlich hämato-onkologische Patienten und autologe Knochenmarkstransplantation) weist zu Beginn der Pandemie im März bis April 2020 eine beinahe Halbierung des Gesamtverbrauchs an Blutkonserven zum Vorjahr auf. Die Covid-19-Patienten, die eine Bluttransfusion benötigten, verstarben zu 64%.

Im Studienzeitraum betrug das Verhältnis von Eks pro Intensivbett 0,92, also erheblich geringer als im Mittel der letzten 4 Jahren (2,7%, P = 0,02). Für das Verhältnis von Thrombozytenkonzentraten TK zu Intensivbett im Studienzeitraum (0,04) war im Vergleich zu den letzten 4 Jahren (0,49) lediglich eine nicht signifikante Reduktion (P=0,1) festzustellen. Für therapeutisches Plasma FFP wurde eine signifikante Reduktion von 0 Einheiten/Bett im Jahr 2020 gegenüber 1,35 Einheiten (P = 0,012) errechnet. Der Rückgang war bei Plasma vollständig (100%), bei Eks erheblich (41,6%) und bei TKs mäßig (12,1% Reduktion).

Ingesamt wurden in der diesjährigen 4-wöchigen Studienperiode 106 Blutkomponenten (95 EK; 11 TK) für nur 36 der 1348 (2,7%) COVID‐19 -Patienten gebraucht. Als Indikation wurde in 44% eine Vorerkrankung, in 25% eine Blutung und 25% eine schwere Infektanämie (zu 50% septischer Schock) angegeben.

Es ist klar, dass die Absage aller elektiven Operationen und die verringerten Unfallzahlen bei allgemeinen Shutdownmaßnahmen den Transfusionsbedarf drastisch senken und als Haupt-Ursache für die beobachteten Effekte gesehen werden müssen. Man weiß mittlerweile auch, dass die Covid-19-Infektanämie in überwiegender Mehrzahl milde und ohne Transfusionsnotwendigkeit abläuft. Auf der anderen Seite dürften bei einer hohen Inzidenz der Infektionen in der Bevölkerung die Spenden zurückgehen.

Man muss diesen Bericht als die Veränderung der Verbrauchsstatistik durch Covid-19 eines hämato-onkologischen Schwerpunkthauses interpretieren. Logischer Weise fehlen die hochspezialisierten Zentren für ECMO Behandlungen und die Behandlung schwerstkranker Covid-19-Erkrankten, die eine andere Statistik aufmachen würden. Da diese aber auch in Deutschland in der Unterzahl sind und sich vermutlich nicht als so gewichtig für den Gesamtpool aller nationalen Blutprodukte auswirken würden, ist der Bericht auch für uns interessant und relevant.

Der Bericht über eine Halbierung des Transfusionsbedarfs aus Madrid bestätigt gleichsinnige Berichte aus Singapur, China, Maryland und Chicago (von 12-42%). Auch die Gewichtung unter den Blutkomponenten ist ähnlich:  Interessanterweise ist auch die Verringerung bei Plasma in anderen Zentren beobachtet, während TKs nicht überall signifikant weniger gegeben wurden. Der Transfusionsbedarf im Krankheitsverlauf ist mit einer hohen Mortalität (63%) assoziiert.

Man kann also annehmen, dass die Verknappung der Resource Blut wegen des Spendermangels in der Pandemie (in Deutschland nicht von erheblichem Ausmaß) nicht nur durch die Beschränkung  des chirurgischen Elektivprogramms pariert, sondern auch durch den geringen Transfusionsbedarf und die nochmalig strengere Indikationsstellung bei Intensivpatienten. Trotz der Covid-19-Koagulopathie und DIC kommt es nicht zu vermehrtem Transfusionsbedarf und bislang auch nicht zu Engpässen in der Blutversorgung.

Pubmed

Access free

Weitere Publikationen zum Thema: 

DeSimone RA et al. Blood component utilization in COVID‐19 patients in New York City: Transfusions do not follow the curve. Transfusion 20.11.20 https://doi.org/10.1111/trf.16202

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch 

 

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