Transfusionssicherheit im Mittelmeerraum

Haddad A et al. Quality and safety measures in transfusion practice: The experience of eight southern/eastern Mediterranean countries. Vox Sang. 2020 Mar 2. doi: 10.1111/vox.12903.

Wie steht es um die Transfusionssicherheit in Ländern, die nicht so wohlhabend und entwickelt sind wie Deutschland?
Die Zustände im Mittelmeerraum hat nun ein Artikel in Vox Sanguinis dargelegt, dem eine Benchmarkanalyse aus Umfragen des Zeitraums 2015-2018 in diesen Ländern Nordafrikas und dem Nahen Osten (Ägypten, Libanon, Palästina, Tunesien, Marroko, Algerien etc.) zugrunde liegt. Syrien und Lybien wurden aufgrund der schwierigen Gesamtsituation in diesen Ländern nicht aufgenommen. Die meist muslimisch ausgerichteten Länder mit insgesamt 200 Mio. Einwohnern sind entweder ehemals englisches oder französisches Kolonialgebiet.

Das Bruttoinlandsprodukt (Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres erbracht werden) pro Kopf als Ausdruck des wirtschaftlichen Entwicklungsstandes reicht von 1200 € in Mauretanien bis zu 8200 € in Palästina (zum Vergleich Deutschland 41340 €).

Die Fragebögen deckten die Organisationsweise der national Blutspendedienste, die Maßnahmen zur Infektionsübertragung und deren Prävalenz, Blutprodukte hinsichtlich Mengen, Arten und Spezifikationen, das Qualitätsmanagement, Hämovogilanz, Vertrieb, Auslieferng und Verbrauchsdetails ab.

Die Unterschiede hinsichtlich der Produktsicherheit in diesen Ländern sind erheblich: Die Verwendung von Vollblut ist in einigen Ländern noch gebräuchlich (Tunesien, Ägypten, Libanon, sogar noch oft in dezentralen Einrichtungen in Mauretanien). Erythrozytenkonzentrate werden meist in SAG-M oder CPDA gelagert. Leukozytenreduktionsfilter vor der Lagerung werden in Algerien, Ägypten, Jordanien und West-Bank-Palästina zu kleinen Anteilen verwendet, im Libanon werden auch hauptsächlich Apherese-Produkte (TKs zu 100%) hergestellt. Die Gewinnung von Apherese-(Thrombozyten-) Konzentrate ist in relativ einkommensschwachen Ländern wie West-Bank-Palästina und Mauretanien unmöglich. In den meisten Ländern werden TKs als Vollblut, plättchenreiches Plasma oder aus dem Buffycoat gewonnen. Therapeutisches Plasma wird meist aus Vollblutkonserven gewonnen, Aphereseplasma wird nur in Ägypten und Algerien nur als geringer Prozentsatz gewonnen.

Qualitätskontrollen werden in allen Ländern außer Mauretanien vorgenommen, die Hkt-Messungen für EKs, Thrombozytenzahl für TKs und F VIII-Aktivität für Plasma bestehen. Oftmals sind aber die durchgeführten Produktkontrollen nicht automatisiert sondern manuell und in vielen Aspekten für alle Blutprodukte nicht nach festgelegten Standards durchgeführt. Der Libanon führt im Vergleich die aufwendigsten Qualitätskontrollen durch.

Die Spender durchlaufen ein mehr oder weniger ausgeprägtes Befragungsverfahren und der Spendeverzicht bzw –ausschluss wird sehr unterschiedlich gehandhabt. In Algerien und Tunisien gibt es keinen Spenderfragebogen. Nationale Leitlinien zur Risikoeinschätzung und der Spenderückstellungsperioden nach Infektionen oder Aufenthalten in Risikogebieten sind uneinheitlich, insgesamt aber von internationalen Standards abweichend.

Die Blutentnahme wird in allen Ländern nach Händedesinfektion durchgeführt, in Algerien und Mauretanien ohne die Vorschrift, Handschuhe zu tragen. Lediglich in Jordanien existiert eine aseptische Entnahmevorschrift für Apheresen.

Die Blutkonserven und Spender werden auf HIV, HPV und HCV entweder als antigenbasierte, Antikörper-Tests oder einer Kombination aus beiden getestet. Anti-HCV AG oder anti-HBc Screening ist nicht üblich. Nukleinbasierte Testverfahren sind nur in Ägypten möglich. Screening auf Syphilis ist in allen Ländern, hingegen auf das HTLV1/2 nirgendwo etabliert. Nur Algerien screent auf Malaria. Keines der Länder untersucht seine Blutspenden auf regional bekannte Erreger wie MERS, CoV und West-Nil-Virus, auch nicht auf endemisch in den Nachbarländern vorkommende Viren (Dengue, Q Fieber, Chikungunya). Die Bestimmung der Majorblutgruppen A, B, 0, Rh ist in allen Ländern, das Allo-AK-Screening in Tunesien, Algerien, Jordanien und Mauretanien nicht immer systematisch durchgeführt.

Die Unterschiede zu unseren deutschen Blutprodukten sind so deutlich wie der Unterschied in der wirtschaftlichen Produktivität - ein deutlicher Zusammenhang, aber, wie diese Studie zeigt, regional sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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