Vergessene Gefahren von Fremdblut- Übertragung von Arboviren

Giménez-Richarte A et al. Transfusion-transmitted arboviruses: Update and systematic review. PLoS Negl Trop Dis 16(10): e0010843. https://doi.org/ 10.1371/journal.pntd.0010843

Heutige Patienten erwarten eine hohe Sicherheit von Blutkonserven bezüglich der Übertragung von Infektionskrankheiten. Arboviren werden vor allem in tropischen Regionen durch Stechmücken oder Zecken übertragen und ziehen bestenfalls eine vergleichsweise symptomarme, milde, meist fieberhafte Infektionen nach sich. Epidemische Ausbreitungsformen dieser Virusgattung wurden in den letzten 20 Jahren weltweit häufiger als bislang beobachtet. Die prominentesten Vertreter dieser Gattung sind West-Nil-Virus, Dengue, Chikungunya und Zeckenenzephalitis("Tick-borne")-Virus (FSME ist der europäisch-heimische Subtyp) (siehe auch RKI-Information).

Erst 2018 waren im Ärzteblatt über die zunehmenden Nachweise von West-Nil-Virus von Vögeln und einem Pferd berichtet worden (Artikel im Ärzteblatt). Die Übertragung durch Stechmücken der meist heimischen Wildvögel auf Menschen ist damit zwar selten, mit der fortschreitenden Klimakatastrophe aber immer wahrscheinlicher. Weil deren Übertragung durch Bluttransfusion eine potenzielle letale Folge vor allem für Immunsupprimierte und Ältere innewohnt, sind normalerweise Reisende aus den bekannt-besiedelten Tropenregionen von der Blutspende ausgeschlossen. Werden diese Art von Viren aber hierzulande häufiger nachgewiesen, könnten auch nicht-gereiste Blutspender das Virus übertragen. Impfungen und effektive Therapeutika existieren bislang nicht.

In einem aktuellen Artikel in der hochrangigen Zeitschrift PLoS One in der Rubrik "Neglected Tropical Diseases" hat nun ein spanisches Autorenteam diese Gefahr der Gruppe der Arbo-Viren in Erinnerung gebracht. In einer systematischen Recherche haben sie 29 (oftmals amerikanische) Studien gefunden, von denen 11 die Übertragung des West-Nil-Fiebers, 9 von Dengue-Fieber, 2 Zika und je eine Studie von japanischer Enzephalitis, St. Louis Enzephalitis, tick-borne Enzephalitis, Powassan Virus,Gelbfieber, Colorado-Tick-fieber und Ross-River-Fieber berichtet. Diese 10 Arboviren verursachten insgesamt 74 Übertragung- und Erkrankungsfälle, wobei der Löwenanteil auf die Dengue (57%) und West-Nil Viren (24%) entfiel. Über die Hälfte der Erkrankten (54%) waren immungeschwächt. Die Folgen waren 63,5% Morbidität und 18,9% Mortalität, beim West-Nil-Fieber 93%, Dengue Fieber 0%! 

Die regionalen Übertragungen konnten zu 90,5% den USA durch Erythrozytenkonzentrate (55%) beim West-Nil-Virus, zu 50% Brasilien durch Erythrozytenkonzentrate (44%) beim Dengue-Virus zugeschrieben werden. Der Erreger der am häufigsten durch Thrombozytenkonzentrate übertragen wurde , war mit Abstand das Dengue-Virus.

Das Autorenteam hat für diese Virusgruppe weitere Übertragungswege zusammengestellt und nach Virussubtyp tabellarisch geordnet, wie zum Beispiel Organ- und Knochenmarkstransplantation, Mutter-Kind, Blut und Schleimhautkontakt. Eine ganze Reihe mehr Arbo-Viren mit bislang nicht so geläufigen Namen sind bei Blutspendern zu erwarten. Mit zu erwartender und zunehmender Rolle bei der Übertragung durch Transfusionen sind der Chikungunya Virus, Cri-mean-Congo hämorrhagischer Virus, Eastern equine encephalitis Virus, Heartland Virus und Jamestown Canyong Virus angeführt. 

Hierzulande ist der Nachweis genetischen Virus- Materials beim Spender as NAT-Screening und andere Methoden der Pathogenelimination wie Methusalem und UV-Bestrahlung zwar schon länger eingeführt (in den USA erst seit 2003), es sind jedoch gelegentlich auch schon Übertragungen nach falsch negativen Befunden vorgekommen.

Das heißt für Deutschland, dass wir noch relativ sicher sind, aber wachsam bleiben müssen. Wir haben mit dem Paul-Ehrlich-Institut und dem Arbeitskreis Blut hochkompetente Instanzen hierfür (siehe die Stellungnahmen zur Malaria, Filo-Virus, Zika-Virus, Q-Fieber, Usutu-Virus, West-Nil-Fieber etc.). Die zunehmende Erwärmung des Klimas in Deutschland bringt auch mit sich, dass wir im Gesundheitswesen tropische Infektionserkrankungen in Prophylaxe, Diagnostik und Therapie einbeziehen müssen.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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