Volumenmanagement

Koraki E et al. Blood and fluid management during scoliosis surgery: a single-center retrospective analysis. Eur J Orthop Surg Traumatol. 2020 Feb 3. doi: 10.1007/s00590-020-02637-y. [Epub ahead of print]

Die Skoliosekorrektur von Jugendlichen ist eine riskante Operation. Nicht nur weil das neurologische Outcome für das ganze zukünftige Leben auf dem Spiel steht, sondern auch weil mit dem meist hohen Transfusionsbedarf ein weiterer bislang nicht einschätzbarer Risikofaktor in Kauf genommen werden muss.

In einer retrospektiven Longitudinal-Studie hat nun ein griechisches Autorenteam den Einfluss eines 3-Komponenten-Programms bestehend der Steuerung des Volumen- und Transfusionsbedarfs mittels Schlagvolumenanalyse, der Einsatz von Tranexamsäure und maschineller Autotransfusion getestet.

Dafür wurden retrospektiv Patienten im Alter von 14-18 Jahren ausgewählt, die entweder liberal (n=18) mit Volumen versorgt worden waren und Epinephrin-Boli bekommen hatten, wenn der systolische Blutdruck unter 90 mmHg fiel. Die Blutverluste waren im Verhältnis von 3:1 für Kristalloide und 1:1 für kolloidale Volumenersatzlösungen ersetzt worden. Der übliche  Transfusionstrigger war ein Hämoglobinwert von 8 g/dl gewesen.

Die restriktiv mit Volumen substitutierte  Gruppe (n=17) hatten ein auf die noninvasive Herz-Zeit-Volumenmessung (HZV) bzw. die Messung der Schlagvolumenvariation (SVV) abgestimmte Volumen- oder Katecholamintherapie nach einem definierten Protokoll bekommen. Für die Volumensteuerung wurde das Fingercuff-System "ClearSight" (Edwards Lifesciences Cop, Irvine, CA, USA) benutzt. Stieg die SVV > 15%, wurde ein Kristalloidbolus von 10 ml/kg oder 4 ml/kg Kolloidbolus verabreicht. Zusätzlich war kontrollierte Hypotension bis zum Mitteldruck (MAP) von 60mmHg, Tranexamsäure 30 mg/kg bolus, 1 mg/kg/h Dauerinfusion während des Eingriffs, Hämoglobinwert von 7 g/dl als restriktiven Transfusionstrigger als auch maschinelle Autotransfusion eingesetzt worden.

Der vorauszusehende Effekt war dann auch eingetreten: In der restriktiven Volumengruppe waren weniger Kristalloidvolumina (19 vs. 26 ml/kg/h; p<0,030) pro Patient verabreicht worden und weniger Erythrozytenkonzentrate (0,8 vs 0,14 Einheiten, p=0,015) notwendig gewesen. In der liberalen Gruppe waren Diurese (p=0,001) und Vasopressorengabe (p=0,042) höher gewesen. Die postoperativen Hämoglobinwerte waren vergleichbar (9,4 vs. 9,5 g/dl).

Die Kritik, die man an dieser Studie üben kann, ist vielfältig: Die Fallzahl ist zu klein, die Datenanalyse retrospektiv, die SVV Meßmethode zu schlecht validiert und ungenau, etc. Zu folgern, dass das eine Paket an Maßnahmen (restriktive Volumenstrategie mit SVV, MAT und Tja) dem früheren (liberale Volumenstrategie) aufgrund des erzielten Unterschieds in unmittelbar nach der Operation festzustellenden Volumina überlegen sei, ist irreführend. Da ein Hauptfaktor, der Transfusionstrigger in beiden Gruppen unterschiedlich war, kann er die ganzen Unterschiede verursacht haben. Da relevante Outcomeparameter wie Krankenhausverweildauer, Infektionsrate, Immunisierungsrate o.ä. nicht untersucht wurden, ist die Bedeutung der Ergebnisse unklar. 

Auch wenn das Studiendesign nicht imposant und die Ergebnisse unter dem Eindruck der unterschiedlichen Transfusionstrigger gar nicht beeindruckend sind, kann man diese Studie als Machbarkeitsstudie (feasibility!) für ein größeres Kollektiv mit einem verbesserten Protokoll gelten lassen. Das Konzept selbst findet meine Unterstützung.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

 

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