Offener Brief der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Klinische Hämotherapie/ Mitgliedsmail zum Einsatz von Rekonvaleszentenplasma in der Covid-19-Therapie

An alle

Mitglieder der IAKH 

An alle

Klinische Anwender von RKP

 

Einer der aktuell bereits verfügbaren therapeutischen Ansätze bei Covid-19, der in letzter Zeit besondere Beachtung findet, ist die Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma (RKP). Nicht nur in der wissenschaftlichen Weltliteratur, sondern auch in der Lokalpresse und den Werbeanzeigen von pharmazeutischen Herstellern von Plasmaderivaten wird diese Methode beworben
Obwohl bislang nur punktuelle Erfahrungen zur Präparatesicherheit, zur Produktcharakteristik und Effektivität vorliegen, haben sowohl der AK Blut des Robert Koch Institutes [1] als auch die WHO [2] die Anwendung von RKP analog dem Vorgehen bei schweren Virusinfektionen ohne andere kausale Therapieoptionen wie z.B. EBOLA, MERS, SARS, neuartige Grippevirenermutigt und Empfehlungen für wissenschaftlichen Studien ausgesprochen. Das Paul-Ehrlich-Institut hat die sogenannte "Capsid"- multizentrische Studie genehmigt (s.u.).

Die Anwender des Arzneimittels (Intensivmediziner und Klinikärzte) als auch die Transfusionsverantwortlichen, -beauftragten und Qualitätsbeauftragten für Hämotherapie wurden bislang nicht informiert: So sind weder die Bezugsquellen bekannt, noch die Produktcharakteristik, geschweige denn die über die bekannten Risiken und Gefahren der Gefrierplasmaanwendung hinausgehenden Informationen.

Nachfragen bei Kliniken, Instituten und Plasmapherese-Einrichtungen ergeben ein diffuses Bild. Neben der vom PEI genehmigten CAPSID-Multicenter Studie [6] und anderer im internationalen Rahmen durchgeführten größerer Studien, gibt es offenbar in Deutschland eine Reihe von zusätzlichen Untersuchungen, aber auch eine Vielzahl des klinischen Einzelfall-Einsatzes im Rahmen eines medizinischen Heilversuches gemäß AMG in verschiedenen Einrichtungen.

Eine Liste über die Verfügbarkeit des Produkts ist mittlerweile verfügbar (siehe Webseite der BZgA (der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)) und Zentren für die Entnahme werden noch gesucht. 

Des Weiteren ist bislang das Risiko-Nutzen-Profil der Therapie mit Rekonvaleszentenplasma bei weitem nicht geklärt. Folgende Fragestellungen müssten dem Anwender vorab zur Kenntnis gebracht werden:

  • Darreichungsform und -Volumen
  • Sicherheit bezüglich der Übertragung von Erregern und infektiösen Material in Betracht der verkürzten Quarantäneperiode
  • EmpfohlenerZeitpunkt der Verabreichung im Laufe der Erkrankung (eine Wirksamkeit nach dem 14. Tag nach Auftreten der Symptome ist vermutlich verringert und der Erkrankungsbeginn bei bislang symptomlosen Formen der Infektion ist schwer zu bestimmen)
  • Mindestgehalt an COVID-19-IgG Ak (> 1:640 ?) und/oder ein Mindesttiter an neutralisierenden AK (>1:50)
  • Verabreichungsdosis
  • Maximaldosis
  • Verabreichungsdauer
  • Spezielle unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie „Serumsyndrom“, Hyperimmunitätsreaktion
  • Monitoring und Kontrollempfehlungen

Die IAKH möchte deshalb dazu beitragen, Informationen über diese Studien, über die Herstellung, Verfügbarkeit und Qualität von RKP, aber auch über die bisherigen Erfahrungen in der Therapie (vor allem aus Einzelanwendungen, Fallberichten, vorläufigen Ergebnissen von Studien) zur Verfügung zu stellen. Deshalb wollen wir eine Umfrage unter unseren Mitgliedern und unter den Herstellern mit dem Ziel durchführen mit dem Ziel, Daten hierzu zu erheben.

Aus der Erhebung können und sollen keine Therapieempfehlungen resultieren. Sie soll einen Hinweis auf den aktuellen Umfang des Einsatzes (Stand Mitte Mai/Ende Mai)von Rekonvaleszenten-Plasma bei Covid 19 geben. Wir erhoffen uns auch eine Verbesserung der Kommunikation und Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren, etwa in Bezug auf eine Beteiligung an Multizenter-Studien und die zeitnahe Vermittlung von Spendern.

Wir möchten Sie deshalb bitten, an dieser strukturierten Umfrage teilzunehmen. Kontaktieren Sie bitte zu diesem Zweck das IAKH Sekretariat. Wir werden die Daten in aggregierter Form ohne Namensnennung auf der Webseite der IAKH zur Verfügung stellen. Kontaktdaten werden wir bei Anfrage nur mit Ihrem Einverständnis weitergeben.

Die Hersteller von Rekonvaleszenten-Plasma wollen wir getrennt anschreiben und deren Kontaktdaten veröffentlichen, sofern und soweit sie damit einverstanden sind.

Für den Vorstand der IAKH

 

Prof. Dr. med. Thomas Frietsch, Dr. med. Arnulf Weiler-Lorentz, Dr. med. Gerhard Wittenberg

 

[1] Stellungnahme zur Gewinnung und Nutzung von Rekonvaleszentenplasma (RKP) als Therapieoption bei Ausbrechen schwerer Infektionen. Bundesgesundheitsbl 2015· 58:1371–1377DOI 10.1007/s00103- 015-2256 -9 / s.a. https://edoc.rki.de/handle/176904/153

[2] WHO Blood Regulators Network (BRN) Position paper on collection and use of convalescent plasma or serum as an element in filovirus outbreak response. (2014)Â http://www.who.int/bloodproducts/brn/en/

[3] Shen C et al: Treatment of 5 Critically Ill Patients With COVID-19 With Convalescent Plasma.JAMA.2020Mar 27. doi: 10.1001/jama.2020.4783. [Epub ahead of print]

[4] Bloch EM1et al. Deployment of convalescent plasma for the prevention and treatment of COVID-19. J Clin Invest.2020 Apr 7. pii: 138745. doi: 10.1172/JCI138745. [Epub ahead of print]

[5]Covid-19-Antikörper aus Plasma von genesenen Patienten https://www.iakh.de/nachricht/covid-19-antikoerper-aus-plasma-von-genesenen-patienten.html

[6] Paul-Ehrlich-Institut genehmigt erste COVID-19-Therapiestudie mit Rekonvaleszentenplasma.https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2020/07-pei-genehmigt-therapiestudie-covid-19-rekonvaleszentenplasma.html