Offener Brief der  IAKH zur Offenlegung der Interessenkonflikten bei den Richt- und Leitlinien Hämotherapie

an den

  • Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer

  • Vorstand der Bundesärztekammer

 

vom 7.10.2020

 

Neufassungen von Querschnittsleitlinie 2020 und Richtlinie Hämotherapie 2017

 

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Dr. med. K. Reinhardt,

die Beauftragung der Herausgeberschaft und Autoren für die Leit-und Richtlinien Hämotherapie ist laut Transfusionsgesetz in Ihrer Verantwortung.

Die Deklaration der Interessenskonflikte in der Richtlinie Hämotherapie 2017 als auch in den Querschnittsleitlinien Hämotherapie 2020*  ist unzureichend. Im Licht der internationalen Standards bei der Erstellung von medizinischen Leitlinien beantragen wir:

  1. Es muss eine transparente, detaillierte und eindeutige Mitteilung der Interessenskonflikte jedes/r Autors/Autorin und der Herausgeber gemäß den Praktiken der internationalen Fachzeitschriften1, des CONSORT-Gremiums2 oder der AWMF3erfolgen.

  2. Die Kapitel der Anwendungsempfehlungen, ebenso die der unerwünschten Wirkungen, müssen zwingend federführend von Klinikern mit Expertise in der Patientenbehandlung verfasst sein.

Begründung:

Als Spezialisten für die Herstellung der Blutprodukte sind die Transfusionsmediziner besonders sachkundig. Deshalb sind bislang auch immer mehrheitlich und federführend Vertreter der Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) in die Ständigen Arbeitskreise zur Erstellung der Querschnittsleitlinie und Richtlinie Hämotherapie berufen und in der Regel auch mit deren Federführung beauftragt worden.

 

Die aktuelle Situation erfordert nun aber aus mehreren Gründen eine Änderung der Vorgehensweise, die wir mit diesem Schreiben erbitten:

Die Herstellung der Mehrzahl der Blutprodukte in Deutschland erfolgt durch den Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes und zu einem kleineren Anteil durch die meist an Universitäten angebundenen transfusionsmedizinischen Institute. In dieser Rolle sind die Leiter der Blutspendedienste und der weiteren transfusionsmedizinischen Einrichtungen als Hersteller von Blutprodukten pharmazeutische Unternehmer, die in der Mehrzahl nicht unmittelbar in die klinische Anwendung ihrer Produkte einbezogen sind. Oftmals befinden sich die Produktionsstätten der Blut- und Plasmapräperationen fern der anwendenden klinischen Einrichtungen. Die Kenntnis über die Anwendung ist mit der Einordnung der Blutprodukte als Arzneimittel wenig im Blickfeld des pharmazeutischen Herstellers.
Bei der Erst- und Neufassung der Querschnittsleitlinien bzw. Richtlinien Hämotherapie wurden bislang aber -abweichend von der heute üblichen Praxis zum Beispiel bei der AWMF– die Interessen der Hersteller von Blutprodukten vom Herausgeber der Querschnittsleitlinien nicht als Interessenskonflikt angegeben oder als nicht erwähnenswert eingestuft, obwohl diese als klinische Anwendungsempfehlungen eine hohe klinischen Bedeutung für die Anwender von Blutprodukten haben und medikolegal häufig als Standard der medizinischen Behandlung bewertet werden.
Die derzeitige Praxis der BÄK, die (inklusive der durch die berufliche Tätigkeit verursachten) Interessenkonflikte der Autoren der Querschnittsleitlinien nicht transparent auf der Homepage der BÄK und in der Printausgabe zu veröffentlichen, ist nach Transparenzgesichtspunkten inakzeptabel und entspricht nicht den üblichen nationalen und internationalen Standards der Offenlegung möglicher Interessenkonflikte bei der Erstellung von Leitlinien.

Die Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für Klinische Hämotherapie fordert die Bundesärztekammer und den wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer auf, diese Kritikpunkte unverzüglich umzusetzen.

 

Für die Gesellschaften :

Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für Klinische Hämotherapie IAKH

Vorsitzender                                                      Prof. Dr. med. Th. Frietsch, MBA (EBS)

Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin DIVI

Sektion Hämotherapie und Hämostaseologie                   

1. Sprecher          Prof. Dr. med. D. Dirkmann, MHBA      Stellvertreter: Prof. Dr. med. S. Petros

Deutsche Gesellschaft für orthopädische Unfallchirurgie DGOU

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie DGOOC

Gem. Präsident                                                  Prof. Dr. med. D.C. Wirtz

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe DGG

Präsident                                                           Prof. Dr. med. A.J. Scharl

Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie DGU 

Präsident                                                            Prof. Dr. med.M. Raschke                

 

 

https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf- 3Ordner/MuE/Bekanntmachung_der_Querschnitts- Leitlinien__BAEK__zur_Therapie_mit_Blutkomponenten_und_Plasmaderivaten_- _Gesamtnovelle_2020.pdf

 

1- http://www.icmje.org/conflicts-of-interest/
2 -http://www.consort-statement.org/Media/Default/Downloads/SPI/CONSORT- SPI%202018%20EE%20Document.pdf
3 -https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/Werkzeuge/20180117_AWMF- Regel_Interessenkonflikte_V2.4.pdf

Zum unterschriebenen Orginal des Briefes (PDF)

Zum Schriftwechsel mit der Bundesärztekammer (jeweils als PDF): 

Antwort von Herrn Dr. med. K. Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer vom 7.2.2021  

Antwortschreiben  von Prof. Dr. med. Th. Frietsch, Vorsitzender der IAKH vom 7.3.2021